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Wikipedia-Gründer Jimmy Wales gehört dem Löschbeirat von Google an. Das Gremium soll sicherstellen, dass die Löschanträge von EU-Bürgern ordnungsgemäß behandelt werden.

© dpa

Neuer Ärger um Recht auf Vergessenwerden: Wikimedia kritisiert Google-Löschungen

Zu 50 Wikipedia-Beiträgen gibt die Suchmaschine Google keine Treffer mehr aus. Das vom Europäischen Gerichtshof verbriefte Recht auf Vergessenwerden führe zu einer Link-Zensur, kritisiert nun die Wikimedia-Stiftung.

Der Name des Betroffenen wird nicht genannt, wohl aber sein Fall. Im Wikipedia-Beitrag zum „Recht auf Vergessenwerden“ wird als deutsches Beispiel der Fall eines jungen Mannes angeführt, der tanzend auf einer Technoparade gefilmt worden war und vom Landgericht Berlin den Anspruch attestiert bekam, dass der Kameramann das Video nicht weiter verbreiten darf, weil er dafür keine ausdrückliche Einwilligung des Tänzers besaß. Im Netz kursiert das Video dennoch weiter, heißt es in dem Wikipedia-Beitrag, in dem auch die Kritik an dem Löschanspruch beschrieben wird.

Nachdem der Europäische Gerichtshof das Recht auf Vergessenwerden im Mai postulierte, müssen Suchmaschinen wie Google bei berechtigen Anfragen Links aus ihren Suchmaschinen löschen – auch zu Wikipedia. Die Wikimedia Foundation, die hinter Wikipedia stehende Stiftung, will dies jedoch nicht einfach hinnehmen und spricht von einer „Link-Zensur“.
Die Wikimedia-Foundation hat inzwischen einen Weg gefunden, wie man auf die Entfernung der Google-Verweise reagieren will. Auf einer Seite mit dem Titel „Nachrichten vom Suchmaschinen“ listet die Stiftung die Benachrichtigungen auf und zeigt die Zuschriften als Grafik an. Aktuell handelt es sich um je zwei Fälle der englischsprachigen und der italienischen Wikipedia sowie um drei Linklöschungen zur niederländischen Ausgabe. Welche Person hinter der Löschung steht, wird in der Mitteilung nicht erwähnt. Über die Adresse lässt sich allerdings der Wikipedia-Beitrag finden. So wird von Google nun nicht mehr zum Beitrag über Gerry Hutch – laut Lexikon war er der Hauptverdächtige bei zwei der größten Raubzüge in Irland – in der englischsprachigen Wikipedia verlinkt. Ob jedoch er oder eine andere in dem Artikel genannte Person den Löschantrag stellten, ist nicht bekannt.

Wikimedia kritisiert "Gedächtnislücken im Internet"

„Die Löschung der Links aus den Suchergebnissen schaffe Gedächtnislücken im Internet“, sagte Stiftungsdirektorin Lila Tretikov. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs behindert nach ihrer Ansicht die Möglichkeiten, korrekte und überprüfbare Informationen über Menschen und Ereignisse zu erhalten. Die Auswirkungen des Urteils auf Wikipedia seien direkt und problematisch, erklärte Tretikov. Sie kündigte an, jede Entfernung eines Wikipedia-Links aus Suchmaschinenergebnissen öffentlich zu machen. Tretikov beklagt, das Gericht habe seine Verantwortung dafür vernachlässigt, eines der wichtigsten und universellsten Rechte zu schützen: „das Recht, Informationen zu suchen, zu erhalten und zu übermitteln“. Von den über 90 000 Löschanträgen, die bei Google eingingen, kamen die meisten Anträge aus Frankreich (17 500) und Deutschland (16 500). 53 Prozent davon wurden seither tatsächlich entfernt.

Auf Google könnte die Wikimedia Stiftung – wenn es etwas helfen würde – sogar ganz direkt einwirken – über den Löschbeirat, den der Suchmaschinenbetreiber eingerichtet hat, um sich gegen Kritik an den Löschentscheidungen zu wappnen. Dem Gremium gehört neben Datenschützern, Ethikspezialisten, Journalisten, früheren Politikern wie der ehemaligen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auch der Wikipedia-Gründer Jimmy Wales an. Kurt Sagatz

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