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Karl Holzamer arbeitete von 1962 bis 1977 als Gründungsintendant des Zweiten Deutschen Fernsehens.

© dpa / dpa/Georg Meyer-Hanno

NS-Verstrickung des ZDF-Gründungsintendanten: Nur ein Einzelfall?

Karl Holzamer hat Leben und Arbeit während der NS-Jahre beschönigt und beschwiegen. Und der Sender will weitere Biografien untersuchen.

Ein Kommentar von Joachim Huber

Das Zweite Deutsche Fernsehen wurde 1961 gegründet, zwei Jahre später begann der Sendebetrieb. 1962 wurde Karl Holzamer zum Gründungsintendant des ZDF gewählt, zwei Mal im Amt bestätigt, arbeitete er bis 1977 an der Spitze der öffentlich-rechtlichen Anstalt. Das ZDF feierte sein Bestehen gern im Zehnjahres-Rhythmus, gerne wurde bei den Jubiläen die besondere Rolle Holzamers beim Aufbau und Ausbau des Fernsehprogramms aus Mainz betont.

Mitglied von SA und NSDAP

Jetzt aber, zum 60-jährigen Sendejubiläum, fällt mindestens ein Schatten auf die Biografie des Gründungsintendanten. Holzamer hat falsche Angaben über Arbeit und Leben während der NS-Zeit gemacht, er hat seine zeitweilige Zugehörigkeit zur SA verschwiegen und seine faktische Mitgliedschaft in der NSDAP von 1937 bis 1945 auf den Zeitraum 1937 bis 1939 verkürzt. In seinem beruflichen, vor allem journalistischen Wirken hat er zur Aufrechterhaltung und Stärkung der Nazi-Herrschaft beigetragen. Die neuen Erkenntnisse fußen auf einer ZDF-internen und vom Historiker Martin Sabrow systematisierten Untersuchung. Das Ergebnis: Karl Holzamer hat in den Nazi-Jahren als „pragmatischer Opportunist“ Karriere gemacht..

Es stellen sich drängende Fragen. Erst 60 Jahre nach seiner Gründung wird der Sender aktiv, vorher gab es offensichtlich nie Zweifel an Holzamers emsig betriebener lebensgeschichtlicher Stilisierung nach Kriegsende. Zugleich belässt es das ZDF nicht beim Fall Holzamer, nach Senderaussage wird es weitere Investigation zum öffentlich-rechtlichen (Gründungs-)Personals geben. Ein so schneller wie leichtfertiger Schlussstrich wird vermieden.

Wenn es mal beim Gründungsintendanten bleibt. Geschichte endet nicht dadurch, dass sie für beendet erklärt wird. 2021 wurde bekannt, dass Hans Abich, Intendant von Radio Bremen und ARD-Programmdirektor, sein Wirken in der NS-Zeit beschwiegen und beschönigt hatte, nichts anderes hatte Berlinale-Gründungsdirektor Alfred Bauer getan, und wie die Rolle von „Stern“-Gründer Henri Nannen als Propagandist in der Wehrmacht zu bewerten ist, ist Gegenstand einer anhaltenden Untersuchung.

Es zeigt sich, wie viele mediale Führungsfiguren der jungen Bundesrepublik in der NS-Zeit als Mitläufer, Mittäter, als ideologische Opportunisten gelebt und gearbeitet haben. Wenn man sich in Erinnerung ruft, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SED-gesteuerten Medien nach dem Ende der DDR „gegauckt“ wurden, wird offensichtlich, wie dringlich und notwendig es ist, dass sich ARD und ZDF und sehr viele weitere Institutionen der ehemaligen Bundesrepublik wenigstens ihre Gründungsfiguren sehr genau anschauen. Oder glaubt einer, dass der Fall Karl Holzamer der letzte ist?

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