zum Hauptinhalt
Wut und Frust. Mitarbeiter der Tageszeitung „Ma’ariv“ streiken vor dem Verlagsgebäude in Tel Aviv. 1700 der 2000 Stellen sollen wegfallen. Foto: dpa

© dpa

Print mit Problemen: Nur die Abhängigkeit wächst

Israels Presse steckt bis auf das Gratisblatt „Hajom“ in einer schweren Krise. Die Auflagen bröckeln, die Einnahmen schwinden, und dann regieren mehr und mehr politisch orientierte Verleger in den Zeitungshäusern.

„Ma’ariv“ macht Schlagzeilen – in anderen israelischen Zeitungen. Nur die hohen jüdischen Feiertage der letzten Wochen und der Sabbat unterbrechen die tagtäglichen Schreckensmeldungen über den Untergang der Zeitung und über täglich neue Demonstrationen der verzweifelten „Ma’ariv“-Mitarbeiter. In der ohnehin von Skandalen gekennzeichneten Geschichte der einst auflagenstärksten Zeitung wird nun das Kapitel über den Sturz ins Bodenlose geschrieben, wenn nicht gar das Schlusskapital.

Im Gesamtmarkt der Tagespresse mit einer Auflage von 600 000 Stück liegt der aktuelle Marktanteil der drittgrößten Zeitung „Ma’ariv“ bei elf Prozent, die Verluste stiegen in extreme Höhen, die Besitzer wechselten in immer schnellerer Folge. Nun werden bestenfalls „nur“ 1700 der insgesamt 2000 Mitarbeiter in allen Bereichen entlassen. Doch der in der vergangenen Woche verkaufte Verlag schuldet nicht nur den Banken 54 Millionen Schekel (etwas über zehn Millionen Euro) und 68 Millionen Schekel für Obligationen; in den Kassen für Pensionen und gesetzliche Entlassungs- und Abgangsentschädigungen fehlen weitere 100 Millionen. Dies trotz zahlreicher Finanzspritzen des bisherigen Besitzers Nochi Dankner, der nun aber mit seinem rasch gewachsenen Firmenimperium selbst vor dem finanziellen Abgrund steht. Jüngster Käufer von „Ma’ariv“ ist der rechtsgerichtete Verleger Schlomo Ben Zwi, dem bereits das Blatt „Makor Rishon“ gehört. Er ist Mitglied der regierenden Likud-Partei von Premier Benjamin Netanjahu und Sympathisant der Siedler-Bewegung.

Schlimm scheint auch die Finanzlage beim liberalen „Ha’aretz“ (sieben Prozent Marktanteil) der ursprünglich aus Zwickau stammenden Verlegerfamilie Schocken und der seit einigen Jahren beteiligten deutschen Verlagsgruppe DuMont Schauberg („Kölner Stadt-Anzeiger“, „Berliner Zeitung“) zu sein. Das seit langem defizitäre, auf hohem journalistischen und intellektuellen Niveau stehende Blatt plant deshalb die Entlassung eines Viertels seiner Mitarbeiter, darunter wohl auch Dutzender Journalisten.

Die Krise bei diesen beiden Zeitungen ist keineswegs nur hausgemacht, wenn auch im Falle „Ma’ariv“ das Ergebnis teils krimineller Misswirtschaft. So, als der einstige Besitzer, der berüchtigte britische Verleger Robert Maxwell die Pensionskassen plünderte. Natürlich hat das Internet zum Absturz der Printmedien beigetragen. Aber in erster Linie waren es wohl die beiden Kommerzfernsehkanäle 2 und 10, die den Blättern Werbe-Millionen abzwackten; Schätzungen gehen bis zu 85 Prozent. Trotzdem kämpft auch Kanal 10 ums Überleben gegen den übermächtigen TV-Konkurrenten und die Regierung. Denn wer es wagt, Premier Netanjahu zu kritisieren, ihm gar möglicherweise kriminelle Vergehen nachzuweisen, der darf nicht mit Gnade rechnen. Kanal 10, der in der letzten Zeit etliche Entlassungen vorgenommen hatte, bat vor Monaten um eine ansonsten übliche Fristverlängerung zur Bezahlung der Lizenzgebühren, um nicht in eine weitere Liquiditätskrise zu stürzen. Doch mehrfach wurde ihm diese von den Koalitionsabgeordneten im zuständigen Wirtschaftsausschuss der Knesset bisher verweigert.

„Ma’ariv“, bei der Staatsgründung 1948 durch Redakteure von „Yedioth Ahronoth“ gegründet, konnte sich jahrelang „meistverbreitete Zeitung“ Israels nennen. Das Blatt verlor dann aber im Kampf gegen „Yedioth Ahronoth“ mehr und mehr an Boden. „Ma’ariv“ hat nur noch elf Prozent Marktanteil, „Yedioth Ahronoth“ hält bei 36 Prozent. Das Massenblatt der Verlegerfamilie Moses trieb die Konkurrenz mittels konkurrenzloser täglicher Beilagen in die Enge.

Doch den eigentlichen Todesstoß versetzte „Ma’ariv“ die nach Benjamin Netanjahus Amtsantritt von seinem milliardenschweren reaktionären amerikanischen Sponsoren Sheldon Adelson auf den Markt geworfene Gratiszeitung „Israel HaJom“ („Israel heute“); das weltweit einzige Abonnements-Gratisblatt kommt auf eine werktägliche Auflage von 285 000 Exemplaren.

„Israel HaJom“ hat nur eine journalistische Linie: Die bedingungslose Unterstützung des von den übrigen Medien kritisch begleiteten Netanjahu. Der greise Adelson, der mit einer viel jüngeren Israelin verheiratete jüdische Milliardär und Casino-Besitzer, übrigens auch Hauptsponsor des US-Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney, steckt Millionensummen in sein Blatt, das mit 39 Prozent Marktanteil inzwischen zur größten israelischen Tageszeitung aufgestiegen ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false