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Medien: Ostsee, Dämmerung

Bilder wie gemalt: Die Literaturverfilmung „Wellen“

Das Meer. Die Gischt, die Wellen, ein Brausen und Glitzern. Wie oft musste das schon als schöne Kulisse herhalten: für Stimmungen, für Seelenlandschaften, persönliche Konflikte? Schlimmstenfalls sieht das aus wie bei Pilcher-Filmen im ZDF. Gefühlskitsch aus Cornwall, an Englands Steilküste. Oder es wird stimmig, wie bei Eduard von Keyserling in seinem Roman „Wellen“, geschrieben 1911. Das Porträt einer Frau, die ihren 30 Jahre älteren Mann verlässt, um mit einem jungen Maler in einem Fischerdorf an der Ostsee ein neues Leben zu starten. Ein Spätwerk des baltischen Schriftstellers, das 1998 ein Comeback erlebte, als es im „Literarischen Quartett“ gelobt und ein Verkaufserfolg wurde. Und nun ein TV-Drama.

„Wellen“, eine wenig überschwängliche, aber desto grandiosere Literaturadaption, der ein paar Zuschauer mehr zu wünschen wären als die übliche Arte-Quote. Mitunter frei an der Vorlage vorbei geschrieben, etwas überdramatisiert von Regisseurin Vivian Naefe („Einer geht noch“, „Tatort“) – da schlägt die Tür im Wind und braust der Baum im Mondlicht – Achtung, Natursymbolik! Aber hervorragend besetzt mit Matthias Habich, Monica Bleibtreu, vor allem aber mit Marie Bäumer als kühl-sensible femme fatale Alice. Und dem Hauptdarsteller: die Küste Litauens, die Ostsee.

„Grün und durchsichtig wie russische Marmelade“, sagt eine Figur. Oder wie Milch. Selten hat man das Meer so schön gesehen wie in diesem Film. Immer wieder dazwischen geschnitten: das Auf und Ab der Wellen, zwielichtig-glitzernd im Licht, und hier passt das auch zur Seelenlandschaft, den erotischen Konflikten einer Gruppe von Adligen am Vorabend des Ersten Weltkriegs, die es mit den Nerven haben und trotz Sommerfrische stets müde sind, die starr an Konventionen festhalten und am Ende warten müssen, dass das Meer eine Leiche frei gibt. Ihr Untergang naht.

Warum eigentlich nur Thomas Mann oder Tschechow? Von Pilcher ganz zu schweigen. Eduard von Keyserling hat bald 150ten Geburtstag. Gelegenheit, weitere Stoffe des großen deutschen Erzählers zu verfilmen. Große Frauengestalten, große Natur. Es muss nicht immer Cornwall sein.

„Wellen“, Arte, 20 Uhr 40

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