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Porträt: „Der ganze Beruf ist Adrenalin“

Schauspieler Bert Tischendorf ist der Mann der Wanderhure. Nun greift er im Kino erneut zum Schwert.

Michel zieht wieder in den Krieg. Diesmal gegen die Mongolen. Die Rolle des kämpferischen Burgherren Michel in den TV-Filmen „Die Wanderhure“ und die „Rache der Wanderhure“ an der Seite von Alexandra Neldel hat den Schauspieler Bert Tischendorf einem größeren Publikum bekannt gemacht. Die Verfilmungen der Romane des Autorenduos Iny Lorentz waren für den Privatsender ein wahrer Quotensegen. Fast zehn Millionen Zuschauern sahen den ersten Teil und auch die Fortsetzung war mit über acht Millionen Zuschauern sehr erfolgreich. In diesen Tagen beginnen in Prag die Dreharbeiten für den dritten Teil der Mittelaltersaga. Im „Vermächtnis der Wanderhure“ haben die Burgfrau und ihr Ritter gerade ihr zweites Kind bekommen. Trautes Glück, bis eines der Kinder entführt wird und das neue Abenteuer beginnen kann.

Im Leben von Bert Tischendorf geht es inwischen etwas ruhiger zu. In einem Café unweit des Boxhagener Platzes erzählt der 32-Jährige, der inzwischen seit zweieinhalb Jahren in Friedrichshain lebt, dass er mittlerweile nicht mehr ganz so oft um die Häuser zieht. Dass er in festen Händen ist, mag damit genauso zusammenhängen wie der Umstand, dass der gebürtige Rostocker inzwischen ein viel beschäftigter Schauspieler ist. In der vergangenen Woche war er in der RTL-Actionserie „Alarm für Cobra 11“ im Einsatz, an diesem Montag hat er einen Auftritt im Sat-1-Krimi „Der letzte Bulle“ (20 Uhr 15), diesmal im Anzug eines Bräutigams statt im Gewand des Ritters. Überhaupt ist für ihn nach seiner Titelrolle in „Isenhart“ und bald drei Teilen der „Wanderhure“ der Punkt erreicht, „wo ich nach Neuem schaue“. Zuvor allerdings greift Tischendorf erneut zum Schwert. Am Donnerstag kommt der Film „Das Anubis Haus – Der Pfad der sieben Sünden“ ins Kino.

Die Fantasygeschichte ist das erste Kinoabenteuer zur gleichnamigen Fernsehserie. Tischendorf spielt darin den Ritter Roman, der die junge Nina in seine Mittelalterwelt entführt. Nina und ihr Freund Daniel hatten zwei Ringe in einem Antiquitätenladen gekauft, die das Tor zu der Parallelwelt geöffnet hatten. Um Nina zu befreien, müssen Daniel und seine Freunde nun sieben Prüfungen ablegen. Für Tischendorf war es hingegen eine schauspielerische Prüfung, den FSK-6-Anforderungen gerecht zu werden. So durfte er seinen Gegnern zwar das Schwert zeigen, sie aber nicht direkt bedrohen. Ohnehin ist Ritter Roman nur bedingt böse, und auch Tischendorf entwaffnet eher mit seinem sympathischen Lächeln.

Gemeinsam ist seinen Rollen, dass sie seine sportliche Seite unterstreichen. Als Junge war er zehn Jahre lang Leistungsschwimmer, bis er mit 18 erkannte, dass es für eine berufliche Karriere nicht reicht. Das Schwimmen hat er aufgeben, dafür boxt Tischendorf seit zwei Jahren. Das Reit- und Kampftraining besonders für „Die Rache der Wanderhure“ haben ihm Spaß gemacht. Nur in einer Szene musste er sich danach doubeln lassen.

Nicht nur eine sportliche Herausforderung ist für Tischendorf die Rolle in dem ARD-Film „Vom Traum zum Terror: Olympia München 1972“, der im Sommer gezeigt wird. In dem Doku-Fictionfilm spielt er den deutschen Olympioniken Manfred Ommer. Nach dem Attentat auf die israelischen Sportler folgte Ommer als einziger deutscher Athlet nicht der Aufforderung des IOC, die Spiele fortzusetzen. Er verzichtete auf den Start bei der 4x100- Meter-Staffel und vergab damit eine Medaillenchance. Als junger Sportler hat auch Tischendorf von Olympia geträumt, umso mehr beeindruckt ihn die Entscheidung Ommers. Ein klarer, mutiger Standpunkt, sagt er.

Eine Altersgrenze für körperbetonte Rollen sieht Tischendorf indes nicht. „Man muss sich nur Götz George ansehen. Da kann sich mancher Jungscher was abschauen“. Ein Vorbild sei er jedoch nicht für ihn, vielmehr lasse er sich gerne begeistern. So habe er vor kurzem die Zeitungsnotiz eines Gesprächs mit Matt Damon ausgeschnitten. Darin erzählt der amerikanische Schauspieler von einer Schlüsselszene im Film „Contagion“. Ein Arzt erzählt dem Darsteller darin, dass seine Frau gerade an den Folgen einer unerwartet heftigen Viruserkrankung gestorben sei. Damon hört sich alles in Ruhe an und fragt: „Kann ich jetzt zu meiner Frau“. Beeindruckend, sagt Tischendorf. In der Szene sei etwas drin, das er mitnehmen wolle.

Dabei legt sich Tischendorf sonst nicht allzu gerne fest, bewegt sich lieber auf sicherem Terrain. Bei der Frage, was ihm einen Kick gibt, weicht er aus: „Ich brauche kein Bungee-Jumping, auch wenn ich das gerne mal machen würde. Ich habe einen spannenden Job, durch den ich ständig neue Leute und Orte kennenlerne. In Berlin habe ich zum Beispiel erst einmal gedreht, dafür aber schon häufiger in Ungarn, in Prag und in Belgien“.

Die Wiedervereinigung bezeichnet er ohne Wenn und Aber als großes Glück. Als die Mauer fiel, war er zehn Jahre alt: „Ich mag mein Leben, so wie es ist. Ich bin mir nicht sicher, ob ich damals so frei hätte studieren können. Ob ich mein Medizinstudium so hätte abbrechen können, um eine andere Richtung einzuschlagen.“ Der Vater, der noch immer als Schuldirektor tätig ist, war not amused: Während Tischendorfs Mutter den Wechsel bereits geahnt hat, drängte der Vater ihn noch, zumindest das Physikum zu Ende zu bringen. Die Reputation der Schauspielschule „Ernst Busch“ und die Aussicht, von dem Beruf leben zu können, besänftigte aber am Ende auch den Schuldirektor.

Bevor Tischendorf zum Mann der Wanderhure wurde, war er vier Jahre am Schauspiel Frankfurt tätig. „Das war eine wilde und gute Zeit“, sagt er. Sein Repertoire reichte von Shakespeare über Kleist bis zu Brecht. Das klingt klassischer, als es tatsächlich war, sagt er über die zeitgemäßen Umsetzungen der klassischen Stücke: „Mich interessiert nicht, was das Problem vor 400 Jahren war. Mich interessieren die Probleme von heute“.

Eine Nähe zu geschichtlichen Themen ist geblieben, nicht nur zum Mittelalter, sondern auch zu zeitgenössischen Themen. Im ZDF-Porträtfilm „Beate Uhse – Das Recht auf Liebe“ spielte Tischendorf an der Seite von Franka Potente einen engen Mitarbeiter der Erotik-Unternehmerin. „Ja ein gewisses Interesse an geschichtlichen Themen habe ich schon, aber die Rollen habe ich nicht nur deshalb ausgewählt. Und mit Blick auf „Alarm für Cobra 11“ und „Der letzte Bulle“ sagt er: „Ich will den Wechsel, ich möchte unterschiedliche Rollen mit vielen Aspekten.“ Für einen jungen Schauspieler geht das mit immer neuen Castings einher. „Das hat durchaus etwas mit Bewerbungsgesprächen gemeinsam. Mir macht das aber Spaß. Der ganze Beruf ist Adrenalin.“

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