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Der Apfel trägt keine Schuld: Pathologin Emma Kugler (Antje Traue, kniend), die den Tod der Schneewittchen-Darstellerin (Muriel Wimmer) untersucht, spielt die Hauptrolle in der ZDFneo-Serie „Dead End“. Die Dreharbeiten laufen noch bis Mitte Juli.

© ZDF und Carolin Ubl

Dreharbeiten zu ZDFneo-Krimiserie: Sackgasse Brandenburg?

Weite Landschaften, skurrile Morde: ZDFneo dreht mit „Dead End“ gerade die erste Krimi-Serie. Dass sie Brandenburg handelt, ist kein Zufall.

„Es ist eine Tragödie, aber wir werden Sie und ihr Talent nicht vergessen“, sagt Gustav Peter Wöhler zu den Zwergen, die im Kulturhaus Martin Anderson Nexö in der Zementstadt Rüdersdorf im Zuschauerraum sitzen. Wöhler spielt den Chef einer Laienspielgruppe. Hinter ihm liegt das tote Schneewittchen, besser gesagt: die Schauspielerin, die auf offener Bühne ermordet wurde. So beginnt eine Szene aus „Dead End“, der ersten Krimi-Serie für ZDFneo, die noch bis Mitte Juli in Brandenburg gedreht wird.

Auf der linken Seite des großen Theatersaals liegen Schienen für den Kamerawagen, die Linse ist auf Antje Traue gerichtet. Die 37-jährige Schauspielerin spielt die Hauptrolle, eine Pathologin namens Emma Kugler, die gerade aus den Vereinigten Staaten nach Brandenburg zurück gekehrt ist, um den 75. Geburtstages ihres Vaters Peter – dargestellt von Michael Gwisdek – zu feiern. Peter Kugler ist Leichenbeschauer in Mittenwalde und über die Jahre etwas merkwürdig geworden. Dass er in seinem Kühlschrank nun Knochen lagert, macht der Tochter Sorgen. Sie entschließt sich, ihre Deutschlandvisite auszudehnen, um ihm bei seinen Aufträgen zu helfen. Und davon gibt es in der sechsteiligen Serie, die voraussichtlich noch in diesem Jahr zur Ausstrahlung kommt, einige, zumal sehr skurrile. Denn natürlich haben die Todesfälle, die der Leichenbeschauer untersuchen muss, nicht nur natürliche Ursachen.

Eine Sackgasse, aber für wen?

Der Titel der Serie „Dead End“ heißt übersetzt Sackgasse. Ob dies für Emma, ihren Vater oder für Brandenburg als vergessene Region gilt, lassen die Drehbücher von Magdalena Grazewicz, Thomas Gehorld und Christopher Schier – der auch Regie führt – offen. „Die Leere der Orte und die Traurigkeit, die darin liegt, das hat schon etwas mit der Geschichte zu tun“, sagt Antje Traue. „Meine Figur Emma kehrt aus den USA in ihr Heimatdorf zurück und muss ihr altes Zuhause völlig neu erleben. Mich bewegt es, wenn ich jeden Morgen zu den Drehorten fahre. Die Landschaft ist wunderschön, in ihrer Weite und den Alleen, die ich liebe. Die Städte dagegen wirken wie ausgestorben. Die junge Generation ist abgewandert, und ich frage mich, wo sind all die Menschen hin? ,Dead End‘ spielt in einer solchen „Geisterstadt“ und stellt die Situation überzeichnet dar.“

Für Produzentin Katrin Goetter von Real Film Berlin lebt die Serie nicht zuletzt vom Kontrast zwischen der brandenburgischen Region und der Tristesse der Plattenbauten, die die Landschaft immer wieder durchbrechen. Dreh- und Angelpunkt ist Mittenwalde mit der altmodischen Pathologie des Vaters, die sich auf der Rückseite des alten, mit ausgestopften Tieren gefüllten Hauses befindet. Der Ort steht für eine typisch brandenburgische Kleinstadt, ohne pittoresk zu sein.

Die Fälle selbst handeln an unterschiedlichen Orten, es wird quasi einmal rund um Berlin gedreht. Dahinter verbirgt sich noch eine zweite Geschichte, denn Emma Kugler hatte noch einen anderen Grund, der USA den Rücken zu kehren – und der betrifft zum einen ihren Freund, einen FBI-Agenten (Nikolai Kinski). Zum anderen gibt es Irritationen um einen alten Fall und Beweise, die irgendwie abhanden gekommen sind. In amerikanischen und deutschen Serien wurden schon die unterschiedlichsten Pathologen gezeigt, weiß Regisseur Christopher Schier. „Im Kern haben sie alle etwas gemeinsam, der tägliche Umgang mit dem Tod prägt. Aber meiner Meinung nach müssen sie deswegen noch lange nicht alle während ihrer Arbeit essen, Musik hören oder Witze über den Tod machen.“ Die Hauptfigur in „Dead End“ wird von einer immensen Neugierde angetrieben, um Ursache und Rätsel, die zum Tod geführt haben, herauszufinden. „Dabei geht Emma allerdings manchmal einen Schritt zu weit. Sie verhält sich dann nicht mehr der Norm entsprechend und übertritt ihre Kompetenzen“, erläutert der Regisseur.

Wirklich außergewöhnliche Morde

Eine große Bedeutung hat zudem der Vater-Tochter-Konflikt, die Kommunikation zwischen den beiden ist nicht die beste, das erschwert die Annäherung. Michael Gwisdek, der den Vater spielt, schätzt an der Serie wiederum, dass „jede Episode einen wunderschönen und wirklich außergewöhnlichen Mord“ bereit hält. „Der Stoff würde auch gut zu England passen, mit seinem schönen Humor“ sagt er. Brandenburg hat dabei, wie schon bei den Filmen mit Horst Krause, mitunter sehr spezielleTypen zu bieten. So wie in „Dead End“ Bürgermeister Herbst (Fabian Busch), der gar nichts davon hält, dass Emma offenbar nun Mord und Totschlag aus Amerika importiert hat. Auch von dem ermittlungsmüden örtlichen Polizeikommissar Schubert (Lars Rudolph) kann Emma keine Unterstützung erwarten. Aber Betti (Victoria Schulz), die neue Polizistin im Ort, arbeitet mit Emma zusammen. „Hinzu kommt, dass sowohl die Hauptfiguren als auch die Episodenrollen von einer ungestillten Sehnsucht getrieben sind. All das gibt der Geschichte eine ganz eigene Stimmung“, sagt Christopher Schier.

Für Michael Gwisdek gibt es drei Serien, die man mit dem Fanatismus schaut wie sonst nur Fußball-Weltmeisterschaften: „Homeland“, „Ally McBeal“ und „Weissensee“. „Mit diesen Serien hast du ein bisschen mehr verstanden, wie die Welt ist.“ „Dead End“ ist die erste Serie, in der er mitspielt. Früher sei das Fernsehen ja ebenso verpönt gewesen wie Werbung, heute wollen alle in Serien mitspielen, wundert er sich. Für einen 76-jährigen Schauspieler, aber nicht nur für ihn, ist eine solche Produktion eine enorme Anstrengung, denn sie entsteht unter verschärften Bedingungen. Das Team hat nur 45 Drehtage für zusammen dreimal 90 Minuten, das ist ungefähr ein Drittel weniger als bei TV-Spielfilmen. Das hat Konsequenzen.

„Der Beruf des Schauspielers verliert an Romantik. Es ist eine körperliche und mentale Herausforderung eine Serie zu drehen“, sagt Antje Traue, die auch in der ersten deutschen Netflix-Serie „Dark“ (die Arbeiten an der zweiten Staffel haben gerade begonnen) mitgespielt. „Es ist unbestritten positiv, dass in den letzten Jahren viel mehr produziert und dadurch viel mehr Arbeit generiert wird“, aber durch Zeitdruck und die Budgetknappheit stehe in den meisten deutschen Produktionen Effizienz an vorderster Stelle und das trage eine gefährliche Entwicklung mit sich, so Traue. „Ich denke, kreative Arbeit darf nur bis zu einem gewissen Grad effizient sein müssen. Ich überlege deshalb schon genau, welchen Inhalten ich mich zuwende und womit ich meine Zeit verbringe.“

Bei „Dead End“ hat es jedenfalls gepasst. Möglicherweise hilft die Serie ja auch dabei, den TV-Zuschauern ein anderes Bild von Brandenburg zu vermitteln, so dass die Region nicht wirklich zur Sackgasse wird.

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