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Kommissarin Eyckhoff (Verena Altenberger) hat Caroline Ludwig (Anna Grisebach) die Sachen der verschwundenen Anne gebracht.

© BR

Spannung am Sonntag: Münchner „Polizeiruf 110“ löst das Rätsel um ein verschwundenes Mädchen

„Das Licht, das die Toten sehen“ ist ein düsterer, tragischer Vorstadt-Krimi mit einer überzeugenden Kommissarin „Bessie“ Eyckhoff.

Die Leiche der 16-jährigen Laura wird gefunden, eingewickelt in eine Plastikfolie, halb verscharrt unter einem Strauch in einem trostlos wirkenden Park am Rande einer Münchener Vorstadt-Siedlung. Kommissarin Elisabeth Eyckhoff (Verena Altenberger) hält ihren ersten Eindruck vom Tatort als Sprach-Aufnahme auf ihrem Smartphone fest.

Dann blickt sie auf eine mit Graffitis besprühte Beton-Skulptur – und ein rotes Klettergerüst. Aber steht das Gerüst wirklich da? Ist es nur Einbildung? Oder Erinnerung? Die Kommissarin scheint etwas zu bemerken, was sich dem Publikum vorerst nicht erschließt. Die Szene ist ein Lehrstück, wie man ohne Worte Spannung erzeugt. Der intensive Blick in die Gesichter der Figuren ist eines der auffallend häufig eingesetzten Stilmittel in der „Polizeiruf“-Folge „Das Licht, das die Toten sehen“. Neben Altenberger, diesmal mit Kurzhaar-Frisur, prägen zwei weitere weibliche Gesichter den Film.

Vorstadt-Drama mit Eispalast

Stefanie (Zoë Valks), eine blonde junge Frau mit Nasenpiercing, lächelt nie, streunt auf Rollschuhen durch die Hochhaussiedlung, kümmert sich um ihren stets panischen Freund Patrick (Aniol Kirberg) und verkauft Drogen. Caroline Ludwig (Anna Grisebach) ist die Mutter eines vor zwei Jahren verschwundenen Mädchens.

Zu Beginn sieht man sie im „Eistanz-Palast“ am Rande stehen, während sie die Pirouetten einer begabten Eiskunstläuferin bewundert. Die Läuferin ist Laura, die bald darauf ermordet wird. Caroline Ludwigs Tochter Anne (Emily Heidenreich) sah ihr auffallend ähnlich.

Das Vorstadt-Drama besticht durch seine große Nähe zu den Figuren und durch eine atmosphärisch dichte Erzählweise. Die Eisfläche im „Eistanz-Palast“ ist eine grell beleuchtete Insel in einer kalten, düsteren Hochhauswelt. Wenn sich Stefanie und Patrick mit Freunden treffen, hängen sie irgendwo auf einem Parkdeck ab. Und das Durcheinander in ihrer Wohnung entspricht dem inneren Chaos dieser beiden haltlosen Figuren.

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Wieso das Drehbuch von Sebastian Brauneis und Roderick Warich dem jungen Paar so viel Aufmerksamkeit schenkt, bleibt vorerst unklar. Eine Sozialstudie über drogenabhängige Jugendliche wird aus dem Kriminalfilm aber nicht. Nach dem Leichenfund meldet sich Caroline Ludwig bei der Polizei – in der Annahme, die Tote sei ihre Tochter. Denn die wurde nie gefunden.

Zwar belegen Aufnahmen einer Überwachungskamera, dass Anne vor zwei Jahren in einen Fernbus nach Italien gestiegen ist. Seitdem fehlt von ihr jedoch jede Spur. Weil sie ein ähnlicher Typ wie Laura war und häufig in derselben Eislaufhalle Schlittschuh lief, hält es auch Kommissarin Eyckhoff für möglich, dass beide Mädchen Opfer desselben Täters wurden. Aber Caroline Ludwig gerät bald selbst in Verdacht. Ein Handyvideo von ihr mit Laura taucht auf. Außerdem beschuldigt ihr Ex-Mann Martin (Miguel Abrantes Ostrowski) sie, die eigene Tochter misshandelt zu haben.

Kommissarin zeigt Haltung und Empathie

Der Fall bringt die Qualitäten der Hauptfigur ein weiteres Mal zur Geltung: Kommissarin Eyckhoff erweist sich in den Befragungen als einfühlsam und den Menschen zugewandt. Kriminalistische Faktenhuberei hat ihren Platz; aber in der Eyckhoff-Reihe geht es vor allem darum, menschliche Beziehungen zu ergründen und die Motive für das Handeln der Figuren herauszufinden.

Darüber, wie sie ihren Beruf versteht, spricht die Kommissarin gleich zu Beginn des Films, als eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern sie dazu befragt. Man sieht und hört eine reflektierte Polizistin, die auch gegenüber ihrem alten und neuen Kollegen Dennis Eden (Stephan Zinner) Haltung beweist.

[„Polizeiruf 110: Das Licht, das die Toten sehen“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 20]
Bereits an ihrem dritten Fall („Frau Schrödingers Katze“) arbeitete sie zusammen mit Eden auf dem Revier in Sendling – eine Kontinuität, die untypisch ist für die Reihe. Denn Elisabeth („Bessie“) Eyckhoff wird darin als eine ausgesprochen unstete Person gezeigt. Auch in „Das Licht, das die Toten sehen“, ihrem fünften Film, steht ihr Schreibtisch wieder woanders, und erneut bekommt sie es mit einer neuen Staatsanwältin (Hanna Scheibe) zu tun.

Zwar entwickelt sie mit Eden trotz mancher Meinungsverschiedenheit eine kollegiales Verhältnis. Eine ausgeprägte Mannschaftsspielerin ist diese „Bessie“ Eyckhoff aber nicht. Über ihr Privatleben erfährt man ebenfalls nichts. Mehr als Andeutungen in Halbsätzen offenbart die sensible Kommissarin von sich selbst lieber nicht – ein Zug, der sie allerdings nur noch interessanter macht.

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