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Mit maßlosen Kampagnen vergiftet die "Bild" das politische Klima, sagt Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste. Er hat zur aktuellen Debatte ein Plakat angefertigt.

© Edition Staeck

"Spiegel" vs. "Bild": Gutt oder nicht gut?

Der "Spiegel" löst mit seinem "Bild"-Titel Diskussionen aus – und steht selbst in der Kritik. Eine Umfrage.

Mit Hunderten von Streichhölzern illustriert der „Spiegel“ auf seinem Cover die aktuelle Titelgeschichte „Die Brandstifter“. Das Hamburger Nachrichtenmagazin kritisiert darin die „Bild“-Zeitung. Das Boulevardblatt übernehme die Rolle einer „rechtspopulistischen Partei, die im deutschen Politikbetrieb fehlt“, heißt es in dem zehnseitigen Artikel. Es sei beispiellos, wie „Bild“ derzeit den wegen der Plagiatsaffäre unter Druck stehenden Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zuhilfe eile. In der Branche wird über den Artikel diskutiert – aber nicht nur die „Bild“, sondern auch der „Spiegel“ wird in der Debatte kritisiert.

Klaus Staeck, Präsident der Berliner Akademie der Künste

Die „Spiegel“-Geschichte war schon lange überfällig. Die konkurrierenden Medien lassen „Bild“ viel zu viel durchgehen, aus Angst oder Unfähigkeit durch Gewöhnung. Seit viele Politiker „Bild“ ganz selbstverständlich als Megafon für ihre Verkündigungen ans Volk nutzen, bedarf die Zeitung einer verschärften öffentlichen Kontrolle. Die „Bild“ bedient das ganze Spektrum rechtspopulistischer Vorurteile, vor allem, wenn es wieder einmal gegen „die Ausländer“ geht und vergiftet oft durch maßlose Kampagnen zu häufig das politische Klima.

Die Beurteilung von „Bild“ ist keine Frage von rechts oder links. Schon lange maßt sich die „Bild“ die Oberhoheit über Auf- und Abstieg nicht nur von Politikern an. So ist auch zu Guttenberg zu einem beachtlichen Teil ein „Bild“-Gewächs. Da möchte man den Zeitpunkt eines möglichen Rücktritts schon selber bestimmen. Übrigens wird „,Bild’ pro Guttenberg“ auch gut honoriert durch einen großen Anzeigenauftrag vom Verteidigungsministerium an die Springer-Blätter. Ein Trost bleibt: Die Auflage des Massenblattes geht erfreulich zurück.

Ernst Elitz, Ex-Intendant des Deutschlandradios, früher „Spiegel“-Redakteur, heute „Bild“-Kommentator

Mein erster Eindruck von der „Spiegel“-Geschichte: Die reinste Sammelwut, Analyse leider mäßig. Und dann muss sich der „Spiegel“ auch noch von „Bild“-Chef Kai Diekmann belehren lassen, dass er selbst ja mal zu den Guttenberg-Schönschreibern gehörte. Alle Medien kennen eben nur eine Adresse: Im Glashaus Nummer 1. Ergiebiger war das Gespräch mit Diekmann, der fast jeden Vorwurf mit einem Verweis auf sogenannte Edel-Medien kontern konnte. Klang wie Verteidigung, hat es aber auf den Punkt gebracht. Der generelle Trend zur Boulevardisierung und Personalisierung – das wäre eine aufklärerische Titelgeschichte, wirklich „Spiegel“-like. Inklusive Glashaus.

Irgendwie wurde in der „Spiegel“-Geschichte ganz vergessen: „Bild“ ist die meistzitierte Tageszeitung. Zitiert werden nicht Positionen aus Otti-Fischers-Lotterbett, sondern exklusive News aus der Politik. Deshalb lesen der gemeine „Spiegel“-Redakteur und die Politik täglich „Bild“. Schön, dass durch den Guttenberg-Medienhype alles durcheinander kommt. Der „Spiegel“ zofft sich endlich wieder mit der Konkurrenz, neben jedem „Bild“-Mann sitzt in der Talkshow einer von der „taz“. „taz“ und „FAZ“ fordern Guttis Rücktritt, „Bild“ und „Zeit“ halten ihm die Stange. Fehlt nur noch: „Spiegel“-Chefredakteur Georg Mascolo übernimmt „Bild“ und Diekmann geht zum „Spiegel“. Wer hat diese Meldung zuerst?

Konstantin Neven DuMont, Medienunternehmer

Auch ich habe mich über die Guttenberg-Berichterstattung der „Bild“ geärgert. Deshalb aber alles, was die „Bild“ macht, schlecht zu schreiben, halte ich für falsch. Wir brauchen mehr differenzierenden Journalismus. Viele Menschen sind es satt, vorgefertigte Meinungen präsentiert zu bekommen. Am sogenannten Qualitätsjournalismus gibt es ebenfalls genug zu kritisieren. Ich glaube nicht, dass sich der „Spiegel“ mit der Geschichte wieder mehr „links“ positionieren möchte. Für mich steht der „Spiegel“ schon lange nicht mehr „links“.

Friedrich Küppersbusch, TV-Produzent

Mit dem Sarrazin-Vorabdruck ohne Kommentar und Distanz im Schulterschluss mit „Bild“ hat sich der „Spiegel“ Spott ausgesetzt („Bild am Montag“) und eine redaktionsinterne Debatte ausgelöst. Ich verstehe den aktuellen Titel vor allem auch als ein klares Signal an die „Spiegel“-Belegschaft.

Hans-Hermann Tiedje, Medienberater und Ex-„Bild“-Chefredakteur

Das muss man mal hinkriegen. Zehn Seiten nichts Neues. Eine Fleißarbeit aus dem Archiv. Die einzige wirkliche Neuigkeit sagt Kai Diekmann im Interview: dass nämlich der „Spiegel“ für den Sarrazin-Vorabdruck Geld gezahlt hat. Wenn man sich die nachfolgende „Spiegel“-Empörung über Sarrazin vor Augen hält, kann ich nur sagen: ein Abgrund an Heuchelei. Der „Spiegel“ stand immer „im Zweifel links“. Besonders gut stand er da zu Zeiten von Stefan Aust und Claus Jacobi – Letzterer ist ja heute ein hochgeschätzter „Bild“-Kolumnist. Aber vielleicht ist die Wahrheit viel simpler: dass nämlich „Spiegel“ mit dem „Bild“-Titel versucht, seine frühere Bedeutung wieder zu erlangen. „Bild“ ist am besten dann, wenn sie formuliert, was das Volk denkt. Siehe Sarrazin, siehe Guttenberg. Die deutsche Bevölkerung ist im Kopf ganz helle und bekommt gut mit, was im Lande passiert. Da geht es gar nicht um Rechtspopulismus, sondern nur um den gesundem Menschenverstand. Und Guttenberg ist der Brad Pitt unter den deutschen Politikern. Er hat Star-Format. Guttenberg ist viele Schlagzeilen wert. Mit Kampagne hat das überhaupt nichts zu tun.

Der „Spiegel“ hat sich am Montag auf Anfrage zur Kritik geäußert, das Buch „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin in der „Spiegel“-Ausgabe 34/2010 im Schulterschluss mit der „Bild“ veröffentlicht zu haben. „Es gab keinen Schulterschluss mit der ,Bild’-Zeitung. Es war unsere eigene Entscheidung, den Text abzudrucken, eine Absprache mit der ,Bild’-Zeitung gab es nicht“, sagt „Spiegel“-Sprecher Hans-Ulrich Stoldt. „Es wäre in der Tat vielleicht besser gewesen, den Text redaktionell gründlicher einzuführen. Dieses ist mit der dann folgenden Debatte im ,Spiegel’ geschehen.“ 8000 Euro seien als Honorar gezahlt worden.

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