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Die Zukunft von Nemi El-Hassan beim WDR ist weiter ungewiss.

© dpa

Stellungnahme zu Nemi El-Hassan: "Nicht antisemitisch"

Avi Primor, ehemaliger israelischer Botschafter in Deutschland, und Antisemitismusforscher Moshe Zimmermann plädieren für die Beschäftigung als Moderatorin

Der Fall der Journalistin Nemi El-Hassan ist unverändert in der Schwebe. Sie sollte das WDR-Wissensmagazin „Quarks“ moderieren, doch ehe es dazu kam, wurden Vorwürfe des Antisemitismus gegen sie laut, Vorwürfe, die insbesondere auf Recherchen der „Bild“-Zeitung“ beruhen. Der Westdeutsche Rundfunk hatte sich bei dieser Personalie der Aufklärung verschrieben, unterdessen Intendant Tom Buhrow entschieden hat, dass Nemi El-Hassan nicht auf dem Bildschirm erscheinen wird, wohl aber hinter der Kamera für „Quarks“ arbeiten kann. Endgültiges steht aus.

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Wie sehr Aussagen und Verhalten der heute 28-jährigen Journalistin umstritten und interpretierbar sind, zeigt eine gemeinsame Stellungnahme des früheren israelischen Botschafters in Deutschland, Avi Primor, und des Antisemitismusforschers Moshe Zimmermann, die dem Tagesspiegel vorliegt. Primor und Zimmermann sind beide Mitglieder der Deutschen Initiative für den Nahen Osten (Dino), die von deren ehemaligem Vorsitzenden Jürgen Bremer im WDR-Rundfunkrat vertreten wird. Bremer erwartet, dass die Causa in der nächsten Sitzung am 29. Oktober wieder aufgerufen wird.

Ernennung als Moderatorin

Die Stellungnahme zum Artikel der „Bild“-Zeitung startet mit dem Satz: „Wir halten die Absicht, die Ernennung von Frau El Hassan als ARD-Moderatorin zu vereiteln, für nicht legitim.“ Zur Beweisführung werden fünf Punkte vorgebracht. Ein Aufruf des „Jewish voice for Peace“ könne per definitionem nicht als antisemitisch bewertet werden, da die Organisation eine jüdische sei. Dass sie links und für die Rechte der Palästinenser stehe, ändere daran nichts. Eher umgekehrt: eine jüdische Organisation zu delegitimieren – dies wäre antisemitisch, urteilen Primor/Zimmermann. Auch in der Unterstützung des Boykotts israelischer Waren (es geht hier um die Entscheidung des amerikanischen Speiseeisherstellers Ben & Jerry‘s) aus den besetzten Gebieten sehen die Autoren keinen antisemitischen Akt. Das Foto mit den zu boykottierenden Waren würde Hersteller zeigen, die in den besetzten Gebieten produzieren. „Die Unterscheidung zwischen Waren aus dem Kernland Israel und den besetzten Gebieten wird auch von der internationalen Gemeinschaft (auch von der EU) gemacht.“

Kampf für die Rechte der Palästinenser

Die Parole „Anti Zionism is a duty“ werde auch von einem Teil der jüdischen Ultraorthodoxie vertreten. Ebenso sei der Kampf für die Rechte der Palästinenser auf beiden Seiten der grünen Linie relevant, „ist also nicht per se ein Aufruf zur Zerstörung des Judenstaates und schon gar nicht ein antisemitischer Aufruf“. El-Hassans „Gefällt mir“-Like bei der Nachricht über die Flucht von sechs Palästinensern aus dem Gefängnis wurde laut Primor/Zimmermann auch von vielen Israelis geteilt, weil hier sich das Gefängnis-System blamierte. Es handelt sich eher um Häme, nicht um Antisemitismus. In ihrem Fazit kommen Avi Primor und Moshe Zimmermann zu der Einschätzung, in Israel hätte man Journalisten, die ähnliche „Likes“ wie Frau El Hassan machen, nicht verfolgt. Israel sei nicht Ungarn oder Polen – und hoffentlich stehe auch die Bundesrepublik für die Meinungsfreiheit.

Verwirrung beim Begriff "Antisemitismus"

Der „Bild“-Artikel halte Kritik an Israels Politik für Antisemitismus. „Das ist ein falsches Verständnis vom Begriff.“ Es sei der Bundestagsbeschluss vom Mai 2019 über die BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) als antisemitische Organisation gewesen, der entscheidend zur Verwirrung beim Thema Antisemitismus beigetragen habe. Eine Revision dieses Beschlusses wäre sehr zu empfehlen. Der Artikel bringt nicht nur den Wille zur Einschränkung von Meinungsfreiheit zum Ausdruck, „sondern auch den Wunsch, eine Frau mit palästinensischem Hintergrund zu diskriminieren“.

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