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Online only? Die Belegschaft der „Hamburger Morgenpost“, dass die Funke-Gruppe als möglicher Käufer nur an der Marke Mopo.de interessiert sein könnte.

© Tsp

Update

Traditionszeitung vor dem Untergang?: Wie die Hamburger Morgenpost ums Überleben kämpft

Die „Hamburger Morgenpost“ kann überleben – wenn man sie lässt. Aber die Funke Mediengruppe wird der Retter nicht sein

Die „Mopo“, um deren Überleben Uwe Seeler gemeinsam mit anderen Prominenten öffentlich bangt, ist das Blatt im Tabloid-Format, das früher schon abends an Hamburgs Straßenecken verkauft wurde und das dann jeder mal mitnahm. Um schnell zu sehen, was es so Neues gibt. Die „Hamburger Morgenpost“ hat immer etwas zu erzählen, das sonst keiner weiß, ist prägnant und gefühlig, nimmt Haltung an und beweist sie je nach Sachlage.

Als handliche Dreingabe war sie Requisit des nächtlichen Kneipenfilms, in dem Gäste ohne Handys und Gewissensbisse viel rauchten und mehr tranken. Tagsüber ist sie wach und außer in Hamburg-Themen wie Hafen und HSV auch in Nischen kundig – Musik ist das „Morgenpost“ Steckenpferd. Sie ist pfiffig und feingliedriger als die „Bild“, Mitstreiter auf dem Boulevard, der inzwischen einen herben Rückfall in den Aggro-Journalismus des vorigen Jahrhunderts erlitten hat.

Die Nachtausgabe gibt es nun nicht mehr, die verkaufte Auflage liegt bei etwa 47 000, Tendenz sinkend. Eigentümer DuMont aus Köln will verkaufenso wie beinahe alle seine Regionalzeitungen, so wie es Springer gemacht hat, Konzentration auf ein, zwei Zeitungen, weg mit dem Schaden, damit kein größerer entsteht.

Funke hat kein Interesse mehr

Mit der Essener Funke-Mediengruppe wurde verhandelt, die 2014 Axel Springers „Hamburger Abendblatt“ gekauft hatte. Aber jetzt sind die Verhandlungen beendet. „Wir sind raus aus dem Spiel“, bestätigte Funke-Sprecher Tobias Korenke dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag. Die Gespräche mit der DuMont Mediengruppe seien beendet. Funke wird demnach weder die Seite mopo.de noch andere Teile des Verlags kaufen.

Die Kölner DuMont Mediengruppe hatte den Verkauf des Online-Auftritts der Boulevardzeitung an Funke sowie die Auflösung der Print-Redaktion geprüft. Eine Übernahme der gedruckten Zeitung durch Funke war nach Angaben von Korenke aus kartellrechtlichen Gründen ausgeschlossen. Zu Funke gehört in der Hansestadt bereits das „Hamburger Abendblatt“. Die Essener Mediengruppe überlege nun, ein eigenes Reichweitenportal für den Norden der Republik aufzubauen, sagte Korenke. In Nordrhein-Westfalen betreibt Funke bereits das Portal „DerWesten.de“.

Funke hatte sich als Retter der Hamburger Presselandschaft generiert, was dem Beobachter nicht als Erstes in den Sinn kommen wollte, haben die Essener doch zuletzt hart auf Verschlankung und Synergien und wenig auf Vielfalt gesetzt. „Nicht verstehen können wir, warum sich der Ärger in Aktionen bei und gegen Funke Luft macht“, hatte Funke-Sprecher Tobias Korenke noch am Dienstag angesichts der Demonstrationen vor dem Hamburger Redaktionshaus gesagt.

Immer die Nette

Die „Hamburger Morgenpost“, einst ein SPD-Blatt, war immer die Nette, die kleinere, aber auch die linkere und rebellischere, die einfallsreichere der Boulevard-Zeitungen. Sie ist gewolltes Gegengewicht in der Stadt. Wie sehr übrigens Konkurrenz das Geschäft belebt, lässt sich an den Anstrengungen des „Abendblatts“ sehen, als die Hamburg-Ausgabe der „Zeit“ auf den Markt kam.

Was also tun? Eine Rettungschance wäre eine unabhängige Stiftung. Genug vermögende Philanthropen wird es hier wohl geben. Prominente Fürsprecher wie Udo Lindenberg und Konzertveranstalter Karsten Jahnke könnten den Anfang machen und in einen treuhänderisch verwalteten Fonds einzahlen. Die Zeitung könnte ihr Konzept feinjustieren: Print nicht als Abfallprodukt behandeln, sondern sich mit Mopo.de und Radio Hamburg in einem gemeinsamen Konzept noch leser- und hörernäher und damit zukunftsfähig aufstellen. Sie könnte sich auf ihre Kraft konzentrieren, das Freie zu fördern, individuelle Nöte der Leser ernst zu nehmen und für den Umgang damit neue Formen finden – runde Tische, Leser-Labs, da gibt es Ideen.

Stärken der Gesamtmarke nutzen

Papier ist alt? Das ist nicht die Frage, solange Umfragen besagen, dass Leser von gedruckten Zeitungen nicht entsprechend online aktiv werden. Die jeweiligen Stärken der Gesamtmarke muss man nutzen, um mitten im Leben der Leser und nicht nur an dessen Rand vorzukommen. Und an das Produkt glauben.

Aus Sicht von Managern mag das anders aussehen. Da soll die Ware „Inhalt“ günstig produziert und vervielfältigt teuer nutzbar gemacht werden. Jeder Wettbewerber nimmt einen Teil vom Kuchen, den man selbst gern hätte.

Nur backen Journalisten keine Kuchen. Sie recherchieren, bringen Dunkles ans Licht und konfrontieren ihre Leser mit Meinungen, sei es mit unliebsamen. Kurz: Sie erweisen der Gesellschaft einen unersetzbaren Dienst, leisten einen Beitrag zur Demokratie. Wie wichtig eine Liberalität für eine Stadt ist, die alle Facetten der Wahrheit zulässt und spiegelt, dürfte in Zeiten von Fake News, Populismus, Radikalismus und Ausgrenzung klar sein. Da hilft es nicht, wenig Wissen auf viele Blätter zu verteilen, da müssen viele kundige Redakteure noch mehr wissen, treffsicher Einschätzungen liefern und Eigenrecherche betreiben. Damit Bürger frei eine Meinung entwickeln können. Es braucht Journalisten, die Leser gegen Obrigkeiten vertreten, gegen Behörden, gegen Wirtschaftsinteressen.

Die „Morgenpost“ hat das Zeug dazu, das Tor auch bei Gegenwind für die Welt offenzuhalten.

Stephanie Nannen

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