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Troll werden Online-Nutzer genannt, die versteckt hinter ihren Pseudonymen andere Leser bloß provozieren und Debatten zum Entgleisen bringen wollen.

© REUTERS

Diskussion über Klarnamenpflicht: Troll dich!

Die „Huffington Post“ will anonyme Kommentare auf ihrer Website verbieten. Auch deutsche Nachrichtenportale diskutieren über eine Klarnamenpflicht. Doch ob diese tatsächlich bessere Debatten bringt, ist umstritten.

Sie nennen sich „Schnitzel“, „Schlauberger1234“ oder „Bolzenbrecher100“ und manche von ihnen haben nur eines im Sinn: zu provozieren, zu beleidigen und die Debatten im Netz zum Entgleisen zu bringen. „Troll“ werden solche Nutzer genannt, die versteckt hinter ihrem Pseudonym unsachliche Beiträge posten – und von ihnen hat die Gründerin des US-Nachrichtenportals „Huffington Post“ jetzt genug. Sie will ihnen den Garaus machen.

„Ich finde, dass die Äußerungsfreiheit Menschen gebührt, die für das geradestehen, was sie sagen und sich nicht hinter einer Anonymität verstecken“, sagte Arianna Huffington kürzlich bei einer Tagung in Boston. „Wir müssen eine Plattform entwickeln, die die Bedürfnisse eines erwachsen gewordenen Internets erfüllt.“ Deshalb will Huffington auf ihren Seiten bereits Mitte des Monats eine Klarnamenpflicht einführen – ein Unterfangen, das umstritten ist.

Kann die Identität der Nutzer zweifelsfrei überprüft werden?

Allein die technische Umsetzung ist eine Herausforderung. Wie kann die wahre Identität der Nutzer zweifelsfrei überprüft werden? Schließlich wollen die Newsportale dafür nicht NSA spielen müssen. Technikchef John Pavley prüft deshalb ein System, das auch Kreditkartenfirmen nutzen, wie er dem US-Blog GigaOm sagte. Viel entscheidender aber ist die Frage, ob durch eine Klarnamenpflicht überhaupt unsachliche Diskussionen vermieden, Trolle vertrieben werden können. Eher nicht, zeigt die Erfahrung einiger Websites.

Südkorea versuchte 2007 sogar, eine staatliche Klarnamenpflicht zu verordnen für alle Websites mit mehr als 100 000 Besuchern im Monat. 2011 wurde diese Vorgabe wieder gekippt, die Anzahl der unsachlichen Kommentare konnte insgesamt nur um 0,09 Prozent verringert werden, berichtet GigaOm.

Arianna Huffington setzt beim ihrem Nachrichtenportal künftig auf Klarnamenpflicht.
Gegen Anonymität im Netz: Arianna Huffington setzt beim ihrem Nachrichtenportal künftig auf Klarnamenpflicht.

© AFP

Die „New York Times“ („NYT“) geht einen anderen Weg. Nutzer können sich durch angemessenes Verhalten für eine Art Gütesiegel qualifizieren. „Verified Commenters“, „Geprüfte Kommentatoren“, heißt es. Wer es trägt, bekommt einen kleinen, grünen Haken hinter dem Namen und darf seine Beiträge posten, ohne dass diese vorab von Moderatoren gelesen werden. So hat die „NYT“-Redaktion weniger Arbeit – und weil die Nutzer sich geehrt fühlen, werden sie sich wohl weiter gut benehmen, um ihren grünen Haken nicht wieder zu verlieren. Dadurch steigt am Ende automatisch die Debattenqualität, hofft die „NYT“.

Anfangs gab’s allerdings Kritik, weil sich die Nutzer über ihren Facebook-Account anmelden mussten. Die Verknüpfung mit ihren echten Identitäten werde die Nutzer davon abhalten, „Inhalte zu posten, die nicht mit unseren Standards einhergehen“, lautete zunächst die Annahme der „NYT“. Ein Irrglaube, wie sich herausgestellt hat. Die Qualität der Kommentare verschlechtere sich nicht, „wenn wir den Verified Commenters erlauben, unter Pseudonym zu posten“, heißt es auf der „NYT“-Website.

Auch Spiegel Online diskutiert über die Klarnamenpflicht

Als eines der ersten Newsportale in Deutschland führte die „Badische Zeitung“ 2010 die Klarnamenpflicht für ihre Website ein – allerdings mit mäßigem Erfolg. So verlangt die Zeitung, dass sich die Nutzer unter ihrem richtigen Namen anmelden. Überprüfen kann und will sie das jedoch nicht. „Wir gehen davon aus, dass die Hälfte der Nutzer weiterhin unter einem Pseudonym schreibt“, sagt Chefredakteur Thomas Hauser. Nach der Einführung habe sich die Qualität der Diskussion zwar ein Stück weit verbessert, aber inzwischen hat sie sich wieder auf einem „normalen“ Niveau eingependelt, was bedeute: „Immer wieder gibt es unsachliche Kommentare.“ Bei Polizeimeldungen sei die Kommentarfunktion wegen zu vieler rassistischer und sexistischer Bemerkungen ganz ausgestellt worden. Trotzdem plädiert Hauser für eine Klarnamenpflicht in Deutschland: „Wenn jemand in einer Demokratie diskutieren will, dann soll er dafür auch mit seinem Namen einstehen. Diskussionen gewinnen an Wert, wenn mit offenem Visier gekämpft wird.“

Wohlgemerkt, in einer Demokratie. Denn in Ländern wie Ägypten dürften politische Kommentare unter Klarnamen schnell Konsequenzen haben. Doch auch hierzulande besteht die Gefahr, dass Online-Debatten an Wert verlieren, weil sich Nutzer ohne Pseudonym nicht trauen, Persönliches preiszugeben oder Erfahrungen auszutauschen. Auch deshalb wägen viele Newsportale ab, ob der Preis für eine Klarnamenpflicht nicht zu hoch ist.

„Wenn wir Pseudonyme untersagen, werden wir sicherlich viele Forenteilnehmer verlieren, aber auch gleichzeitig sehr sinnvolle Beiträge“, sagt Spiegel-Online-Chefredakteur Rüdiger Ditz. Dennoch wird auch bei Spiegel Online derzeit über eine Klarnamenpflicht nachgedacht. „Wir müssen feststellen, dass die Qualität der Forendebatten, je länger sie laufen, nachlässt“, bedauert Ditz. In Spitzenzeiten würden bis zu 500 Beiträge bei dem Newsportal eingehen – pro Stunde. „Bei dieser Menge alle Trolle herauszufischen und die Debatten wieder zurück zur Sachlichkeit zu steuern, wird immer schwieriger.“ Womöglich könne alleine die Aufforderung, Klarnamen zu nutzen, einige Trolle abschrecken. Eine Garantie, dass hinter einem vermeintlichen Klarnamen aber nicht doch ein Pseudonym stecke, werde es allerdings nie geben.

"Wir wollen es nicht mit ,cindy77" zu tun haben

Auch Focus Online, wo seit Ende 2012 Pseudonyme untersagt sind, vertraut auf die Angaben der Nutzer. „Wir sichten alle Kommentare, bevor sie freigeschaltet werden. Ist ein User mit einem Namen in unserer Community registriert, der aus unserer Sicht keinem realen Namen entspricht, wird der Kommentar nicht veröffentlicht“, sagt Florian Festl, stellvertretender Chefredakteur. Manche Kommentare würden als Anlass für neue Recherchen gesehen. „Schon deshalb legen wir Wert darauf, es nicht mit ,cindy77‘ zu tun zu haben“, betont Festl. Aber auch die Qualität der User-Kommentare habe „eindeutig zugenommen“, Mitarbeiter müssten weitaus weniger Kommentare aussortieren. Und für besonders vertrauliche Informationen könnten sich die Nutzer per E-Mail an die Redaktion wenden.

Bei Tagesspiegel Online ist derzeit dagegen keine Umstellung auf eine Klarnamenpflicht geplant. „Das Recht auf Anonymität ist vielen Nutzern gleichbedeutend mit dem Recht auf Privatheit und der freien Meinungsäußerung“, sagt Maik Werther, Mitarbeiter der Community-Redaktion. Trolle seien jedoch ein Problem, andere Nutzer fühlten sich von ihnen angestachelt, Debatten könnten am Ende zerstört werden. „Deshalb versuchen wir den Nutzern zu vermitteln, dass auch die digitale Welt den Leitspruch hat: Verhalten, das im realen Leben nicht akzeptabel ist, ist es auch im Netz nicht.“

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