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© NDR

Tatort: Vom Dienstweg abgekommen

Mit sanfter Ironie: TV-Kommissarin Charlotte Lindholm trifft auf eine alte Bekannte.

Wie kommt es nur, dass diese wortkarge, verschlossene Frauenfigur Charlotte Lindholm beim Fernsehpublikum so beliebt ist? Es liegt wohl daran, dass sie eine Polizistin ist und gut in ihrem Job. Und dass die Schauspielerin Maria Furtwängler, eine kühle Blonde, die selten lächelt, passgenau in dieses niedersächsische Polizeirevier hineinbesetzt wurde. Ermittler müssen nicht viel reden, sie sollen sich stattdessen etwas denken. Sie brauchen auch nicht offenherzig zu sein, schließlich haben sie mit Missetätern zu schaffen, die den Glauben an die Menschheit untergraben können. Viele bedeutende Detektiv-Figuren sind ungesellige Typen, wahre Muffelköppe. Lindholm steht also in einer Tradition. Wichtig: Das Publikum identifiziert die abweisende Art seiner Lieblingskommissare mit Kompetenz. Völlig zu Recht. Wenn Lindholm mit ihrer strengen Stimme sagt: „Wir ziehen den Fall an uns“, kann man sicher sein, dass er gelöst wird.

Gern stellt das Drehbuch (diesmal: Stefan Dähnert) der sturen Charlotte einen Bullen gegenüber, der in der Hierarchie über ihr sitzt, ihr Einzelgängertum missbilligt und sie aus dem Weg haben will. In „Das Gespenst“ ist es der Verfassungsschutzmann Ritter (Hansa Czypionka), der ihr dauernd in die Parade fährt. Aber Charlotte macht es besser, weil sie traumwandlerisch unbesorgt um ihre eigene Position nur auf den Fall guckt. Sie geht in der Recherche auf wie ein Musiker in seiner Melodie. Immer wieder muss die Mutter ran, den kleinen Sohn zu hüten. Die lächelt dazu. Sie kennt ihr Mädchen.

Der kinomäßige Zufall will es, dass die Hauptverdächtige bei einem Polizistenmord Charlottes Schulfreundin Manu ist – beide waren mal unzertrennlich. In den Bruch, der folgte, spielte damals schon Charlottes Coolness hinein. Manu (Karoline Eichhorn) ist die Heißblütige, sie hat sich in Afrika bei einer Menschenrechtsorganisation engagiert, ist im Untergrund gelandet. Jetzt stehen sie sich gegenüber: die Illegale und die Kommissarin, die Kämpferin für das Gute und die Kämpferin gegen das Böse. Die alte Nähe ist noch da – aber auch das Misstrauen, das jetzt überwiegt, ist alt. Eine starke Spannung zwischen den beiden Frauen, sie trägt den Film. Furtwängler und Eichhorn sind einander als Schauspielerinnen wunderbar gewachsen.

Die Arbeit von Regisseur Dror Zahavi hat ferner großen Anteil am Gelingen dieses Tatorts. Seine Bewegungsregie, unterstützt von der ausgezeichneten Kamera Gero Steffens, schafft es sogar, den ebenso stereotypen wie unergiebigen Schauplatz Krankenhaus mit Actionfieber zu durchpulsen. Auch andere bildlich-dramaturgische Höhepunkte wie die Szene, in der Manu und Charlotte einander in der Badewanne gegenübersitzen, Manu die Pistole im Anschlag, sind nicht bloß spektakulär, sondern gut vorbereitet, „glaubwürdig“, wie man so sagt und zugleich frech als kintoppmäßige Pointen. Auch dieses Beispiel: Dass der Geheimdienstmann die an ein Rohr gefesselte Lindholm nicht befreit, weil er mit dem Fabrikat der Handschellen nicht klarkommt, das ist auch so ein Höhepunkt. Zugleich schrecklich und witzig. Es ist dies ein „Tatort“ nach vielen „Tatort“-Folgen, er hält die Höhe der Reihe und liefert die für das Fortleben langer Traditionen unabdingbare sanfte Ironie.

„Tatort“, ARD, 20 Uhr 15

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