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Die einen basteln an ihrem Körper, die anderen am Genom. Medizinstudentin Mia (Luna Wedler) versorgt notdürftig die Wunde, die ihr WG-Mitbewohner Ole (Sebastian Jakob Doppelbauer) sich für ein Digital-Implantat zugefügt hat.

© Netflix/Claussen+Putz

Vom Geschöpf zum Schöpfer: Netflix lässt die „Biohackers“ auf die Menschheit los

Jessica Schwarz, Benno Fürmann, Luna Wedler: In der deutschen Netflix-Serie „Biohackers“ wird kräftig am menschlichen Erbgut herumexperimentiert.

„Leute, denkt nicht so klein“, ruft Tanja Lorenz (Jessica Schwarz, "Romy") ihren Studenten an der Uni Freiburg zu. Lorenz ist nicht nur die jüngste Medizin-Professorin aller deutschen Universitäten jemals, sondern zugleich die erfolgreiche Chefin eines Forschungsinstituts für synthetische Biologie – eine Fachrichtung, die die Menschheit nach Lorenz’ Worten „vom Geschöpf zum Schöpfer“ machen kann.

„Und was ist mit Gott?“, will eine Studentin wissen. „Ganz ehrlich, wir machen Gott obsolet“ erwidert Tanja Lorenz in Abwandlung eines Nietzsche-Zitats.

Vor allem eins impft sie ihren Studenten ein: Nicht die Reproduktion vorhandenen Wissens führt zum Erfolg, sondern der Drang, neue Wege zu beschreiten. In vielen Belangen ist dies auch der sechsteiligen deutschen Netflix-Serie „Biohackers“, die an diesem Donnerstag startet, geglückt. Schade nur, dass die Umsetzung dabei häufig sehr konventionell ausfällt.

Roxy gegen Romy

Zu den besonders aufgeweckten Medizin-Studenten gehört Mia. Schauspielerin Luna Wedler wurde für ihre Rolle in der Komödie „Das schönste Mädchen der Welt“, in der sie die ebenso attraktive wie schlagfertige Roxy spielte, als beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnet. In „Biohackers“ macht ihre „Erstsemesterin“ Mia mit ihren frischen Ideen ihre Professorin rasch auf sich aufmerksam. Schon bald gehört sie zum Inner Circle. Und auch Lorenz’ Hiwi Jasper (Adrian Julius Tillmann) ist von Mia begeistert, nicht nur in fachlicher Hinsicht.

[„Biohackers“, Netflix, sechs Folgen, ab Donnerstag]

Dabei spielt die wissenschaftliche Forschung eine entscheidende Rolle, in dieser Serie scheint jeder sein eigenes Labor zu besitzen. Mitsamt Genschere Crispr. Und mit Genfähren, die manipuliertes Erbmaterial in fremde Zellen einschleusen. Seit Klonschaf Dolly ist viel Zeit vergangenen. Inzwischen träumt die Wissenschaft von einer Menschheit, die alle Krankheiten hinter sich lässt.

Das Corona-Virus zeigt allerdings, wie weit wir derzeit davon entfernt sind. Wegen Covid-19 hatten die Macher von „Biohackers“ und Netflix entschieden, den eigentlich für April geplanten Start der Serie zu verschieben, weil speziell eine Szene in der ersten Folge das Publikum hätte erschrecken können. Inhaltlich gibt es zwischen Corona-Pandemie und Biohacking zwar deutliche Unterschiede, aber die Einschätzung dürfte stimmen, dass gerade in der Corona-Anfangsphase das Interesse an einer fiktiven Geschichte über die Gefahren des menschlich-medizinischen Entdeckergeistes äußerst begrenzt war.

Zumal die Forscher im Science- Fiction-Thriller „Biohackers“ bereit sind, für ihre Ziele nicht nur ethische Bedenken hintanzustellen. Auch hinter Mias Zielstrebigkeit stecken Motive, die zunächst im Dunkeln bleiben. Was gleichfalls für Wissenschaftsjournalist Andreas Winter (Benno Fürmann) gilt.

Alles in allem erzählt „Biohackers“ eine spannende Geschichte von krankhaftem Ehrgeiz und unbändigem Drang nach Vergeltung, aber zugleich von Freundschaft und Liebe. Dazu gibt es die passende Musikauswahl, angefangen bei Nick Waterhouses „Song For Winners“ über „Be What You Are“ von The Cairo Gang bis zu ATNAs „Come To Me“.

Die Rückkehr von Emmett Brown

Während der Soundtrack die verheißungsvolle Stimmung eines Studiumbeginns im Spätsommer in Freiburg gekonnt aufnimmt, passt die klischeehafte Zusammensetzung von Mias Wohngemeinschaft so gar nicht zum ansonsten stimmigen Gesamtbild. Mitbewohnerin Lotta (Caro Cult) läuft am liebsten halb nackt durch die Wohnung und wird vor allem im Nachtleben aktiv. Bei Ole (Sebastian Jakob Doppelbauer) erinnern nicht nur die wirren Haare und die Schutzbrille an Tüftler Emmett Brown aus „Zurück in die Zukunft“. Auch seine gefährlichen Biohacker-Selbstversuche mit digitalen Implantaten sind zu nerdig, um authentisch zu sein. Immerhin passt er damit zur dritten Mitbewohnerin Chen-Lu (Jing Xiang), deren Biologie-Fähigkeiten nur noch von ihrem Dauergequassel übertroffen werden. Immerhin scheint Jaspers Freund, der Soziologiestudent Niklas (Thomas Prenn), etwas weniger abgedreht.

Weniger wäre an dieser Stelle sicherlich mehr gewesen, möchte man dem Gießener Autor Christian Ditter („Türkisch für Anfänger“) zurufen. Ditter hat sich die Regiearbeit mit Tim Trachte geteilt. Das Ende lässt durchaus eine Fortsetzung zu. Sinnvoll wäre diese freilich nur, wenn es „Biohackers“ so wie der deutschen Netflix-Serie „Dark“ gelingt, der Handlung weitere Ebenen hinzuzufügen, um am Ende zu einem hoffentlich überraschendem DNA-Kern zu gelangen.

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