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Doku-Reihe: Was Gregor Gysi mit Heino verbindet

Museen, Zeitungen, Fernsehsender – sie alle stehen unter Jubiläumsdruck. Wir haben ein Neuner-Jahr, und da muss der Gründung zweier deutscher Staaten sowie ihrer Wiedervereinigung gedacht werden. Nur wie? 60 Zeitzeugen und ihr ganz persönliches Deutschland-Bild.

Das Problem mit diesem Stoff ist ja, wie der Off-Kommentar der „Mein Deutschland“-Serie im Ersten zugibt, dass man alles schon weiß: „So weit, so bekannt“. „Deutschland gibt es 80millionenfach“, erfahren wir, denn „jeder hat sein eigenes Bild von diesem Land“. Sechzig Persönlichkeiten haben Jan Peter (Regie) und Yury Winterberg (Autor) herausgefischt und nach ihrem Deutschland-Bild befragt – und es ist das daraus geworden, was die Macher wohl intendiert haben: keine Geschichtsstunde, sondern ein unterhaltsamer Bilderbogen über die Deutschlandstimmungen der letzten 60 Jahre.

Man hat pointierte Statements mit gleichfalls pointierten visuellen Impressionen so verbunden, dass eine sorgsam rhythmisierte Revue entstand, die auch hätte heißen können: Wie war das doch mit Deutschland? Interessierte sich das Volk für eine neue Fahne? Die Hymne? Die Heimat als Begriff und Verheißung? Nicht doch, es fragte, so Norbert Blüm: „Ham wir genug Winterkartoffeln?“ Bei der Wiederbewaffnung gab es dann doch eine Opposition, und die Teilung tat weh. Wie man sich als Vertriebene gefühlt hat, davon spricht Eva-Maria Hagen. Und Christine Kaufmann erklärt, warum die Sentimentalität ihres „Rosenresli“-Films so gut ankam: „Deutschland wollte weinen – über das Unglück, das es verursacht hatte“. Dann wurde das Land Fußball-Weltmeister. Die erste Miss Germany machte international Eindruck. Deutschland konnte wieder lachen.

Die fälligen Stationen, vom Grundgesetz bis zum Konsumrausch, kommen in der ersten Folge, die die Nachkriegszeit bis Ende der 50er Jahre abdeckt, alle vor. Um sich aus der „So–weit-so-bekannt“-Falle zu retten, suchten die Macher zusätzlich nach aparten Perspektiven, nach Neuigkeiten, und seien es Kleinigkeiten. Das gelingt ihnen nicht schlecht. Was war wohl die erfolgreichste Erfindung der Fuffziger? Richtig, der Fischer-Dübel. Der Unternehmer erzählt beglückt von jenem Aufbruch. Er war eine Leitfigur der Epoche.

Bei 60 Gewährsleuten, die über „ihr Deutschland“ reden (die aber nicht alle in der ersten Folge schon auftauchen), mussten die Filmemacher einiges im Auge behalten. Es gibt schöne Momente, so, wenn Didi Hallervorden erwähnt, dass er in Dessau „zur Schule wie zum Zahnarzt“ gegangen sei oder Alice Schwarzer bekennt, dass Deutschland für sie „Schwarzbrot und Leberwurst“ sei. Im Großen und Ganzen aber macht dieses Feature den üblichen Fehler, den vergleichbare Produktionen meistens machen: Nur weil die Reihe im Fernsehen läuft, bestückt man sie mit lauter Fernsehleuten.

Müssen Heino, Fritz Pleitgen, Dieter Thomas Heck und Marie-Luise Marjan sein, wenn es um Deutschland geht? Helmut Schmidt, Egon Bahr und Norbert Blüm sind in Ordnung, auch Günter Schabowski und Gregor Gysi. Aber Peter Kraus? Und Jeanette Biedermann? Nichts gegen diese beiden, aber Gert Rosenthal, der Sohn von Hans Rosenthal, passte viel besser in das Feature. Klar, Fernseh-Nasen wie Ingolf Lück sprechen auf den Punkt und sind manchmal witzig. Mit ihnen hat man weniger Mühe. Aber ist das ein Kriterium? Baumeister, Wissenschaftlerinnen, Verkäufer, Malerinnen, Ärzte – sie hätten Deutschland repräsentiert als seine Bevölkerung, und das wäre näher an der Sache gewesen. Um Günther Jauch zu sehen, muss man nicht das Erste einschalten.Barbara Sichtermann

„Mein Deutschland“ (1/3),
Montag ARD, 21 Uhr

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