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Simonis ist am Mittwoch im Alter von 80 Jahren gestorben. Das bestätigte die SPD-Landesvorsitzende Midyatli in Kiel.

© dpa/Carsten Rehder

Nachruf auf Heide Simonis: Sie war auf ihre Art eine eiserne Lady

Im Alter von 80 Jahren starb die ehemalige Ministerpräsidentin Schleswig-Holsteins. Sie war eine Vertreterin der Politik der alten Bundesrepublik und wusste, dass sie sich durchsetzen konnte.

Heide Simonis – in Bonn geboren, war sie tatsächlich auch eine Vertreterin der Politik der alten Bundesrepublik. Aber eine große.

Die erste Ministerpräsidentin (zwölf Jahre bis 2005) in Schleswig-Holstein; davor Finanzministerin; überhaupt als studierte Volkswirtin eine Finanzfachfrau – kein Wunder, dass sich die Sozialdemokratin das Recht herausnahm, den Lafontaines, Schröders, Scharpings mal die Leviten zu lesen, wenn sie meinte, das sei nötig.

Da sprach die nach Wanderjahren in der West-Republik gelernte Kielerin schon mal norddeutsch schnoddrig davon, dass wieder die Jungs ihre Förmchen im Sandkasten herumwerfen würden. Was ja auch stimmte. Damit kam Simonis an: Sie sprach offen und ehrlich aus, was ihr wichtig war. Von der kommunalen Ebene an bis hin zum Bundestag, dort über mehr als ein Jahrzehnt bis Ende der 80er Jahre. Ihre Wahlergebnisse waren dementsprechend: hoch.

Heide Simonis im Mai 1993 zur bei ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein gewählt, Wolfgang Kubicki, FDP-Politiker und Abgeordneter im Landtag Schleswig-Holstein, gratuliert.
Heide Simonis im Mai 1993 zur bei ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein gewählt, Wolfgang Kubicki, FDP-Politiker und Abgeordneter im Landtag Schleswig-Holstein, gratuliert.

© imago/United Archives/IMAGO/United Archives / Valdmanis

Simonis lernte in der Zeit alle kennen, die wichtig waren und sich, vor allem, wichtig nahmen. Vor allem im Bundestag. Mit denen konnte – und wollte – sie es aufnehmen. Sie handelte schon emanzipiert, als das Wort noch nicht in aller Munde war.

Wahrscheinlich auch deshalb hatte Björn Engholm in Heide Simonis seine Nachfolgerin ausgemacht, als er in Folge der Ausläufer der Barschel-Affäre sein Amt aufgab. Engholm hatte ihre Härte als Finanzministerin kennengelernt. Und wusste, dass sie sich durchsetzen konnte. „Sie werden als Frau immer nur dann etwas, wenn Männer eine Sache in den Sand gesetzt haben“, sagte Simonis einmal.

Man nannte sie auch „Pattex-Heide“

Die anderen „Jungs“ lernten das auch. Unvergessen die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst 1992, als Simonis die Forderung der ÖTV von 9,5 Prozent auf 5,4 herunterhandelte. Führende sozialdemokratische Politiker, so der damalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder, hatten sie zuvor aufgefordert, sich nachgiebiger zu verhalten. Vergeblich.

Die damalige Ministerpräsidentin von Schlewig-Holstein, Heide Simonis, sitzt nach dem vierten Wahlgang im Landtag auf ihrem Platz. Simonis ist am Mittwoch im Alter von 80 Jahren gestorben.
Die damalige Ministerpräsidentin von Schlewig-Holstein, Heide Simonis, sitzt nach dem vierten Wahlgang im Landtag auf ihrem Platz. Simonis ist am Mittwoch im Alter von 80 Jahren gestorben.

© dpa/Ulrich Perrey

Simonis war auf ihre Art eine eiserne Lady. Aber auch eine Lady. Charmant konnte sie sein, elegant trat sie auf. Ihr Schmuck beispielsweise war legendär. Und ihre Quilts, die sie kunstvoll nähte, sind es auch.

Ihre Zeit in Schleswig-Holstein an der Spitze der Regierung endete unglücklich. Nach der Landtagswahl war die Regierungsbildung unsicher. Eine Große Koalition unter der Führung der CDU schloss Heide Simonis öffentlich in einer Talkshow mit den Worten „Und wo bleibe ich dabei?“ aus. Danach hieß sie „Pattex-Heide“.

Sie werden als Frau immer nur dann etwas, wenn Männer eine Sache in den Sand gesetzt haben.

Heide Simonis, erste Ministerpräsidentin eines Bundeslandes (1943-2023)

Nachdem sich die Abgeordneten des Südschleswigschen Wählerverbands zur Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung entschlossen hatten, galt ihre Wiederwahl als sicher. Sie konnte sich in vier Wahlgängen nicht durchsetzen. Bis heute ist unbekannt, wer ihr die Stimme verweigerte, wer der „Heide-Mörder“ war.

Heide Simonis: Starke Frau, prägende Politikerin

Das alles hat Heide Simonis tief getroffen, auch deshalb, weil es eben dieses Bild tradierte, das sie nur nicht habe loslassen können oder wollen. Sie fühlte sich aber getrieben und in falscher Sicherheit gewiegt. Versöhnlich wirkte, dass sie später als erste Frau Ehrenbürgerin von Schleswig-Holstein wurde.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel und die Vorsitzende von UNICEF Deutschland, Heide Simonis, am 21.03.07 bei einer Aktion zum Weltwassertag
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel und die Vorsitzende von UNICEF Deutschland, Heide Simonis, am 21.03.07 bei einer Aktion zum Weltwassertag

© imago stock&people/imago stock&people

Nach ihrer politischen Karriere wurde Heide Simonis, die, wie man früher sagte, die Welt gesehen hatte, ehrenamtlich aktiv, darunter einige Jahre als Unicef-Präsidentin. Ihr kam zugute, dass sie mit ihrem Mann Udo in Afrika und in Japan gelebt und gearbeitet hatte. So war sie dann in einem WHO-Beratergremium für Gesundheitsentwicklung mit Sitz in Japan; und bei Unicef setzte sie sich für Schulen in Afrika ein. In ihre Amtszeit fiel aber auch ein Spendenskandal, dessentwegen sie dann 2008 zurücktrat. Da sie gerne sang, war Heide Simonis bis 2015 noch einmal Präsidentin - im schleswig-holsteinischen Sängerbund.

Seither war es still(er) um sie geworden. Heide Simonis hatte eine Brustkrebserkrankung überstanden, litt an Parkinson, machte aus alldem kein Hehl. Bis zuletzt war sie aber präsent. Und wird es auch bleiben: Sie lebt in der Erinnerung an eine starke Frau fort, eine prägende Politikerin - wenn die SPD sich ihrer angemessen entsinnt. Die Partei verdankt Simonis mehr, als ihr lange bewusst war.

Jetzt ist Heide Simonis im Alter von 80 Jahren gestorben. Kurz nach ihrem Geburtstag, dem 4. Juli, den manche Länder als Unabhängigkeitstag feiern. So rundet sich ihr Leben politisch.

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