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Autolegende. Ein Alfa Giulia aus den 60er Jahren.

© p-a/dpa

Alfa Romeo: Julchen soll es richten

Mitten in der Krise feiern Fans von Alfa Romeo den 100. Geburtstag – die Fiat-Tochter setzt jetzt auf die Neuauflage des "Giulietta".

Arese liegt am nordwestlichen Stadtrand von Mailand. Bis vor ein paar Monaten drehte sich hier alles um Alfa Romeo; hier entstanden die Autos, die sogar als Limousine noch das Image des sportlichen Flitzers trugen und mit ihrem Design das Flair von italienisch-leichter Eleganz verströmten. Heute steht Arese leer; gerade eben, just zum hundertsten Geburtstag von Alfa Romeo, hat der Fiat-Konzern die letzten Teile der Fabrikanlage außer Dienst gestellt, in der einst bis zu 19 000 Arbeiter werkten. Geblieben ist das Museum. Und hier wollen sich am Donnerstag die „Alfisti“ treffen, Alfa-Romeo-Fans und -Clubs aus allen möglichen Ländern, um mit gebührender Melancholie das Jubiläum ihres Auto-Mythos zu begehen.

Mythos, „Mito“, so heißt auch der Kleinwagen, den Alfa Romeo 2008 als bisher vorletztes Modell auf den Markt gebracht hat. Mit „Mito“ aber meinten die italienischen Namensdesigner nicht nur „Mythos“; es ist auch ein Wortspiel, das nach Ansicht vieler den Abschied beschreibt: „Milano-Torino“ heißt der Name ausgeschrieben – oder noch länger: abgewandert von Mailand nach Turin. Echte Alfisti klagen schon lange, dass Alfa Romeo mit der Privatisierung und der Eingliederung in den Fiat-Konzern 1986 nicht mehr das ist, was es einmal war und dass die noch charakteristischen Karosserien nur verdecken, dass Plattform, Motor, Getriebe gewöhnliches Fiat-Material ist.

Dann kommen auch noch beunruhigende Nachrichten aus Pomigliano bei Neapel. Dort wurde vor vierzig Jahren in wirtschaftsfördernder Absicht der Regierung der wegen seiner chronischen Mängel verschriene „Alfasud“ produziert; heute entstehen dort, für höhere Ansprüche, die Limousinen oder „Sportwagons“ der Typen 147, 159 und GT. Genau der höheren Preisklassen wegen hat Pomigliano die Krise mit voller Wucht abbekommen; die 5200 Beschäftigten arbeiten seit zwei Jahren kurz, sehr kurz sogar: drei bis fünf Tage pro Monat. Und wenn sie nicht einen neuen Schweiß-und-Tränen-Tarifvertrag annehmen, dann schließt Pomigliano ganz, hat ihnen Fiat-Chef Sergio Marchionne kürzlich mitgeteilt.

Dabei beteuert Marchionne, er glaube an Alfa Romeo – auch wenn er 2009 nur mehr 101 000 Fahrzeuge dieser Marke verkauft hat, das sind gerade einmal fünf Prozent der gesamten Fiat-Produktion. Wie er bis 2014 auf die versprochenen 350 000 Alfas kommen will – eine Steigerung um 260 Prozent – ist vielen Beobachtern unklar. Wie auch immer: Den gewünschten Wiederaufstieg leitet Marchionne mit der „Giulietta“ ein, dem erotisch beworbenen Wagen in der heiß umkämpften Golfklasse. „Giulietta“ – deutsche Fans übersetzen das mit „Julchen“ – ist sozusagen das Auto zum Jubiläum; es soll an den Publikumserfolg des gleichnamigen Alfa von 1954 anknüpfen, ein Experiment, das Marchionne bei den Fiat-Marken mit dem „Cinquecento“ gelungen ist.

Der erste seines Stammes nannte sich „HP 24“. Gebaut wurde er von 1910 an, als einige Norditaliener das gescheiterte Automobilwerk des Franzosen Alexandre Darracq übernahmen. Sie waren damit zwar nicht die ersten ihrer Zunft, aber weil sie gerne das Auto neu erfunden hätten, wählten sie mit Bedacht einen Firmennamen – Anonima Lombarda Fabbrica Automobili –, der sich mit „Alfa“ abkürzen ließ. 1915 stieß der neapolitanische Unternehmer Nicola Romeo zu dieser Truppe, und „Alfa Romeo“ war komplett.

Vom ersten Modell an setzte das Unternehmen auf Sportlichkeit und auf Rennwagen. Aus seinen Reihen wuchs Enzo Ferrari heraus. Alfa Romeo – 1932 unter Mussolini verstaatlicht – sammelte eine Renntrophäe nach der anderen und triumphierte in den 50er Jahren mit den Fahrern Giuseppe Farina und Juan Manuel Fangio in der beginnenden Formel 1. Technisch war Alfa Romeo der „sportlichen“ Konkurrenz – BMW zum Beispiel – immer voraus. Wobei man aber auch, so lange es irgend ging, also bis zum Alfa 155 von 1990, am Hinterradantrieb festhielt. Die „historische“ Verlagerung nach vorne führte zu anhaltenden Glaubenskriegen unter den Alfisti.

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