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Panorama: Aliens und andere Ikonen

Bei der Grammy-Verleihung sahnten Amy Winehouse und Kanye West ab – und Herbie Hancock war die ganz große Überraschung

Tränenrührige Geschichten gibt es immer reichlich, wenn Hollywood zur Preissaison übergeht, aber soviel Melodrama wie bei der Verleihung der 50. Grammys am Sonntag in Los Angeles ist dann doch selten. Da nahm die Soulsängerin Amy Winehouse Kurzurlaub von ihrer Entziehungkur, um ihren Song zu singen, in dem sie sich gegen alle Interventionsversuche in ihrem Leben wehrt. Da trat Rapper Kanye West im Alienkostüm auf und erbat sich mehr Zeit, um auf der Bühne um seine kürzlich verstorbene Mutter zu trauern. Und Jazz-Ikone Herbie Hancock musste sich den ganzen Abend für seinen Überraschungssieg in der Kategorie „Bestes Album des Jahres“ rechtfertigen.

Seit der Veröffentlichung ihres Albums „Back to Black“ macht die 24-jährige Winehouse mehr Schlagzeilen mit ihren Alkohol-, Drogen- und Beziehungsproblemen, als mit ihrer Musik. Die US-Behörden sahen darin offenbar sogar eine Gefahr für die öffentliche Ordnung – jedenfalls verweigerten sie Winehouse die Einreise zur Grammy-Verleihung. Und als sie ihre Entscheidung revidierten, was es zu spät, um die Reise noch anzutreten. Also wurde Winehouse morgens um 4 Uhr live aus einem Studio in London zugeschaltet. Gekleidet im schlichten schwarzen Kleid mit dem gewohnt düsteren Make-up habe sie überraschend gesund gewirkt, vermerkten die Kritiker hernach. Auch, dass sie ihren Song „Rehab“ über ihre Weigerung, sich in eine Entzugklinik einweisen zu lassen, aus aktuellem Anlass abwandelte und sich von ihrem Rehab-Widerstand distanzierte, entging niemandem. Ihr zweiter Song war ebenfalls mit Bedacht gewählt: „You Know, Im No Good“ – Du weißt, dass ich nicht brav bin. Sichtlich gerührt, im Kreise ihrer Musiker und ihrer Eltern nahm sie Auszeichnungen in insgesamt fünf Kategorien entgegen. „Es ist eine Ehre für mich, hier zu sein“, flüsterte sie schüchtern ins Mikrofon und widmete ihren Erfolg ihren Eltern und „Blake, den eingekerkerten Blake“ – also ihrem Ehemann Blake Fielder-Civil, der derzeit wegen einer Kneipenschlägerei und eines Drogenvergehens hinter Gittern sitzt.

Kaum weniger bizarr war der Auftritt des zweiten großen Gewinners des Abends, Kanye West. Insgesamt in acht Kategorien nominiert, gewann er vier. Seinen Song „Stronger“ trug er auf pechschwarzer Bühne vor, lediglich große weiße, reflektiernde Streifen auf seinem schwarzen Anzug und eine überdimensionale, ebenfalls phosphorizierende Brille leuchteten wie aus der Zwischenwelt. Das zweite Stück, „Mama“, widmete er seiner im November nach einer Schönheitsoperation verstorbenen Mutter, die auch seine engeste Vertraute und Managerin war. In seine Haare am Hinterkopf hatte er sich das Wort „Mama“ rasieren allen und auf der Bühne sagte er: „Letzte Nacht habe ich dich in meinen Träumen gesehen, und jetzt kann ich es nicht erwarten, schlafen zu gehen.“ Als die Musik begann, ihn von der Bühne zu scheuchen, zischt er: „Es wäre ein Zeichen des guten Geschmacks, die Musik jetzt zu stoppen.“ Und setzte seine Ode an seine Mutter ungerührt fort. Den wichtigsten Preis des Abends, die Auszeichnung für das Album des Jahres, schnappte aber der Jazz-Musiker Herbie Hancock für sein Joni Mitchell-Tribut „River: The Joni Letters” weg. Eigentlich hatten alle gedacht, auch dieser Grammy würde an Amy Winehouse gehen. Völlig verduzt von seinem Erfolg – seit 43 Jahren hatte kein Jazz-Album mehr den höchsten Grammy ergattert – verlor Hancock auf der Bühne glatt seine Notizen. Kritikern, die seinen Sieg als Zeichen dafür sahen, dass die Jury rückwärtsgewandt sei, entgegnete er: „Was an mir ist denn konservativ? Wie ich mich anziehe? Ich denke, ich mache Musik, die avangardistischer ist als sie alle die Nominierten heute jemals gehört haben.“ Berlin durfte sich auch freuen, Philharmonie-Dirigent Simon Rattle und der Leiter des Rundfunkorchesters Berlin, Simon Halsey wurden für das Klassik-Album „Brahms: ein Deutsches Requiem“ geehrt (Siehe Kultur).

Und Barack Obama, der unaufhaltsame Messias der Demokraten, fuhr einen weiteren Sieg ein. Mit der Hörbuchversion seines Buchs „The Audacity of Hope“ schlug er Bill Clinton in der Sparte bestes Album des gesprochenen Worts.

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