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Schwieriger Prozess. Nach den geltenden Richtlinien soll der Altersabstand zwischen Adoptiveltern und -kindern nicht größer als 40 Jahre sein.

© IMAGO

Reife Überlegung: Ältere Paare hoffen auf reformiertes Adoptionsrecht

Viele Paare, die ein Kind adoptieren wollen, sind den Ämtern schon zu alt. Nach dem Willen der Koalition soll sich das ändern.

Wer sich am Kollwitzplatz in Berlin die Erwachsenen anschaut, die die tobenden und spielenden Kleinen auf den Spielplatz begleiten, ist manchmal im Zweifel: Sind das nun die Eltern oder die Großeltern? Die Grenzen verschwimmen: Vor allem unter gut ausgebildeten Großstädterinnen ist es längst nichts Besonderes mehr, mit Anfang/Mitte 40 Mutter zu werden. Langwierige Ausbildungswege und komplizierte Paarbeziehungen sorgen dafür, dass Elternschaft vorher oft kein Thema ist. Persönliche Jugendlichkeit und Fitness, aber auch das Netz der modernen Geburts- (und Fortpflanzungs-)medizin geben den Frauen den nötigen Rückhalt, um das Kinderkriegen auch jenseits der 40 zu wagen.

Ihre Altersgenossen, bei denen es mit dem natürlichen Weg zum Wunschkind nicht klappt und die sich für eine Adoption entscheiden, sind den Ämtern als Eltern dann schon zu alt. In ihren Empfehlungen zur Adoptionsvermittlung betont die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, die Ämter sollten schon zu Beginn daran denken, dass heranwachsende Kinder „belastbare Eltern benötigen“ – zum Beispiel während der Zeit der Pubertät: „Dem Wohl des Kindes wird es daher in der Regel nicht dienen, wenn der Altersabstand größer als 40 Jahre ist.“

Dass Adoptiveltern im Lauf der Jahre immer wieder vor besonderen Problemen und Herausforderungen stehen, ist klar. Dass ältere Eltern weniger belastbar sind, ist dagegen keinesfalls ausgemacht.

Was den leiblichen Eltern recht ist, soll nach Ansicht der Regierungskoalition deshalb auch für Adoptionswillige billig sein. Union und FDP wollen auch Frauen und Männern über 40 bessere Chancen einräumen. „Wir wollen gesetzlich festhalten, dass auch bei älteren Bewerbern eine Einzelfallprüfung durch die Jugendämter vorgenommen wird“, sagt Miriam Gruß, familienpolitische Sprecherin der FDP. In dieser Woche soll ein entsprechender Gesetzenwurf erstmals im Bundestag beraten werden.

Offiziell gibt es allerdings schon heute für die Annahme eines Kindes keine obere Altersgrenze. Streng geregelt ist im Bürgerlichen Gesetzbuch nur die untere Grenze: Bei Paaren muss mindestens einer der Partner über 25 Jahre alt sein, das Gleiche gilt für eine adoptionswillige Einzelperson. Bei der Prüfung der Eignung Adoptionswilliger sind Kriterien wie Persönlichkeit, Gesundheit, Lebensziele, Partnerschaft, Wohnverhältnisse und wirtschaftliche Situation wichtig.

In ausführlichen Gesprächen versuchen die Vertreter der Ämter auch herauszufinden, wie reflektiert ein Paar mit dem bisher unerfüllten Wunsch nach einem eigenen Kind umgeht. An oberster Stelle steht demnach das Wohl des Kindes. Zudem werden, wenn das möglich ist, die Vorstellungen der leiblichen Mutter berücksichtigt. „Das Alter spielt heute bei den Auswahlverfahren die geringste Rolle“, sagt der Würzburger Erziehungswissenschaftler Martin Textor. Frank Licht von der Zentralen Adoptionsstelle Berlin-Brandenburg sieht hier denn auch keinen gesetzlichen Regelungsbedarf. Er kenne viele Adoptionsverhältnisse, in denen der Abstand schon heute größer ist als 40 Jahre. Bei der Vermittlung behinderter oder älterer Kinder – einem nach wie vor sehr traurigen Kapitel – spiele das Alter der Adoptiveltern ohnehin kaum eine Rolle.

Auch wenn Kinder aus einem anderen Land nach dortigem Recht angenommen werden, trennen sie oft mehr als vier Jahrzehnte von ihren deutschen Adoptiveltern. In vielen Ländern gelte das höhere Alter der Eltern als Vorteil, weil es mit „Gestandenheit“ und Weisheit verbunden werde, gibt Licht zu bedenken. Obwohl mit dem Haagener Adoptionsübereinkommen von 1993 ein Versuch unternommen wurde, länderübergreifende Annahmen an Kindes statt gesetzlich zu regeln, bleibt nach Ansicht des Experten eine beträchtliche Grauzone.

Die Zahl der Inlandsadoptionen wiederum nimmt laut Statistischem Bundesamt von Jahr zu Jahr ab. Bedeutsamer wird sie allenfalls als Form der Neuordnung der Beziehungen zu Kindern, die ein Partner schon in die Beziehung mitbringt. Knapp die Hälfte der 4201 Adoptionen des Jahres 2008 waren solche „Stiefkindadoptionen“. „Als Form der Familiengründung verliert die Adoption dagegen rasant an Bedeutung“, sagt Textor, der in den 90er Jahren zwei bayernweite Untersuchungen zum Thema machte.

Der Bedeutungsverlust hat nicht zuletzt mit den schlechten Chancen zu tun, eines der besonders begehrten kleinen Babys in die eigene Familie aufnehmen zu dürfen. Durch eine Lockerung der Altersempfehlungen dürfte sich an diesem Punkt nichts ändern. Frank Licht ist deshalb überzeugt, dass das Thema Leihmutterschaft in den nächsten Jahren intensiv diskutiert werden wird. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat dem allerdings vorerst einen Riegel vorgeschoben.

Eine zweite dringlich angemahnte Lockerung der Adoptionsregelungen wäre dem liberalen Koalitionspartner dagegen recht: Die gemeinsame Adoption eines Kindes durch ein gleichgeschlechtliches Paar. Mit Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) zeigte sich am Wochenende erstmals auch eine hochrangige Unionspolitikerin aufgeschlossen gegenüber einer möglichen Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare: „Kinder werden auch in homosexuellen Partnerschaften sehr liebevoll und behütet erzogen“, sagte sie der „Passauer Neuen Presse“ vom Samstag. Bisher hatte die Union eine entsprechende Lockerung des Adoptionsrechts stets abgelehnt.

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