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Panorama: Angriff der Monsterschnecken

Gefährliche Tiere, Viren und Pflanzen verlassen ihre Gebiete und erobern die Welt – wegen der Erwärmung

Sie ist so groß wie eine Männerfaust, wiegt bis zu einem Kilogramm und frisst alle Pflanzen, die ihr im Weg stehen – die Riesenschnecke Achatina fulica aus dem Osten Afrikas. Mehrere tausend Kilometer entfernt in Brasilien fressen die Tiere in einer Nacht ganze Felder kahl, ihr Schleim macht Straßen unpassierbar. Heere von Riesenschnecken saugen aus Hauswänden den Kalk, den sie für den Bau ihres Gehäuses brauchen. Sie übertragen Parasiten auf den Menschen, die sich ins Gehirn fressen oder die Eingeweide zerstören.

Die burmesische Python dringt von Süden her kommend immer tiefer in die USA ein und liefert sich heftige Kämpfe mit den Alligatoren in Florida.

Forscher schlagen Alarm: Gefährliche Tiere, große und kleine, Moskitos, Mikroben, aber auch Viren und fremde Pflanzen verlassen ihre angestammten Gebiete und erobern neues Terrain. Sie verdrängen andere Tiere und Pflanzen und können eines Tages den Menschen bedrohen. Zwei Ursachen haben die Forscher ausgemacht. Das Klima und den Welthandel. Nur die Erwärmung lässt es zu, dass fremde Lebewesen in Gebiete vorstoßen können, die früher zu kalt waren. Und es ist der globale Handel, der die Lebewesen über den Globus verteilt, gewollt oder ungewollt, mit Frachtschiffen und Flugzeugen. Das US-Magazin „Newsweek“ widmete der neuen Bedrohung jüngst eine große Geschichte, zur Titelgeschichte freilich reichte es nur in der Europaausgabe, nicht in der US-Ausgabe.

„Bioinvaders“ nennen die Amerikaner die Gefahr. Diese „Bioinvasoren“ können die Welt verändern. Sie können Krankheiten verbreiten, sie können andere Arten aussterben lassen, das Bild der Natur kann sich verändern.

Jeffrey McNeely, wissenschaftlicher Leiter der World Conservation Union, spricht von „der großen Durchmischung“. David Pimentel von der Cornell University sagte „Newsweek“, es gebe inzwischen 500 000 Arten von Lebewesen, die in fremde Regionen eingedrungen sind. Laut National Academy of Science werden jedes Jahr 13 000 Fälle von Pflanzenkrankheiten in den Häfen der USA entdeckt. Fremde Tier- und Pflanzenarten überrennen die USA und richten jedes Jahr Schäden in Höhe von 120 Milliarden Dollar in der Land-, Forst- und Fischwirtschaft an, berichtet „Newsweek“.

Auch in Mitteleuropa wurden seit der Entdeckung Amerikas rund 12 000 hier vorher unbekannte Pflanzenarten eingeschleppt, schätzt Ingo Kowarik vom Institut für Ökologie der Technischen Universität Berlin (TUB). Immer wieder erreichen tierische und pflanzliche Neuankömmlinge auch deutsche See- und Flughäfen. Allerdings können sich in Deutschland allenfalls zehn Prozent von ihnen auch ausbreiten. Gefahr droht durch die Malariamücke. Sie wird immer wieder nach Deutschland eingeschleppt. Das Malariavirus kann Frost nicht überleben. Wenn es in naher Zukunft frostfreie Winter geben wird, könnte sich die Malaria auch hier ausbreiten. Ähnliches gilt für andere gefährliche Erreger, die das Gelb- oder das Denguefieber auslösen. Sorgen bereitet in dieser Hinsicht auch das West-Nil-Virus, das Hirnhautentzündung hervorrufen kann. Steigen die Temperaturen nur ein wenig weiter, könnte es sich auch in Deutschland halten, befürchtet Andreas Krüger vom Bernhard-NochtInstitut. In New York und anderen US-Städten ist dieses Virus seit einigen Jahren auf dem Vormarsch und verbreitet Angst und Schrecken.

Es gibt auch weniger gefährliche Neuankömmlinge, die sich in Deutschland gut eingelebt haben, zum Beispiel der Waschbär. In der Natur konkurriert er mit den Füchsen, ohne diese aber ernsthaft zu bedrohen, erzählt der Spezialist für eingedrungene Tierarten, Ragnar Kinzelbach von der Universität Rostock. Er plädiert daher genau wie sein Kollege Ingo Kowarik dafür, bei jeder einzelnen Art zu prüfen, welche Schäden sie anrichtet, und anschließend zu entscheiden, ob sie bekämpft werden soll.

Auch Gewächse können Schaden anrichten, erklärt Ingo Kowarik am Beispiel der Robinie. Dieser Baum kommt aus Nordamerika. In Brandenburg ist die Robinie längst ein prägendes Element der Kulturlandschaft, die Berliner schätzen den Baum als robustes Straßengrün und auf der ehemaligen Bahnbrache Schöneberger Südgelände steht die Robinie gar unter Naturschutz. Ganz anders dagegen die Situation an den Oderhängen, wo Robinien den sogenannten Magerrasen mit seinen wertvollen Adonisröschen erobern. Die aber lieben karge Böden. Die Robinie wiederum verwandelt mit Bakterien in ihren Wurzeln den Stickstoff der Luft in eine Art Bio-Stickstoffdünger – aus dem Magerrasen wird so eine fette Allerweltswiese mit einer Art Misthaufen-Milieu, auf der zwar Brennnesseln wuchern, von der Adonisröschen aber rasch verschwinden. In Niedersachsen oder NordrheinWestfalen dagegen fällt die warme Jahreszeit kühler aus, Robinien breiten sich dort daher kaum aus. Das aber dürfte sich mit dem Klimawandel ändern, dann sind auch im Westen der Republik die Magerrasen mit ihren wertvollen Pflanzen in Gefahr.

Gesundheitsprobleme bereitet die Beifuß-Ambrosie. Sie verbreitet sich mit dem Klimawandel auch in Richtung Deutschland, berichtet Kowarik. Pollen-Allergiker sind entsetzt. Die pollenfreie Zeit könnte bald vorbei sein.

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