zum Hauptinhalt

Bahn: Das Ende der Kurswagen

Die Bahn stellt die direkten Nachtzugverbindungen in die Ukraine ein – Polen wurde schon abgehängt

Von Matthias Meisner

Es sind Reisen für Leute mit Zeit gewesen. In 42 Stunden von Berlin-Hauptbahnhof mit Kurswagen UZ 286 in die ukrainische Stadt Donezk im Kohlerevier, sechs Stunden weniger dauert es bis nach Charkiw, dem Wissenschafts- und Bildungszentrum des Landes. Am Donnerstagabend sollten diese Direktverbindungen auf Schienen zum letzten Mal angesteuert werden, Abfahrtszeit laut Fahrplan: 21 Uhr.

„Aufgrund des starken Nachfragerückgangs“ habe die Ukrainische Bahn fast alle Kurswagenverbindungen eingestellt, teilte die Deutsche Bahn ihren Fahrkartenagenturen mit. Am Samstag gibt es die letzte Direktverbindung nach Lemberg, bis dorthin dauert es 25 Stunden. Tags darauf soll der letzte Zug nach Dnepropetrovsk verkehren, kommenden Dienstag wird die Verbindung nach Simferopol eingestellt. Und nach Odessa am Schwarzen Meer, Fahrzeit eineinhalb Tage, wird der letzte Kurswagen von Berlin am Samstag kommender Woche rollen. Wer schon einen Fahrschein und eine Bettkarte hat, wird nach Kiew umgebucht – der D-Zug 444/445 in die ukrainische Hauptstadt ist künftig die einzige direkte Bahnverbindung zwischen beiden Ländern.

Es waren gemütliche Eisenbahnfahrten durch ausgedehnte Landschaften. Wegen der schlechten Schienen können die Züge nicht schnell fahren. Stundenlang standen sie an der Grenze zwischen Polen und der Ukraine: Erst Pass- und Zollkontrolle, dann mussten die Drehgestelle der Waggons ausgetauscht werden, damit sie auf die breitere Spurweite in der Ex-Sowjetunion passten.

„Es ist schlimm, was auf dem Nachtzugmarkt passiert“, sagt Helmut Lutz vom Berliner Reisebüro Kopfbahnhof, das sich auf Bahnreisen spezialisiert hat. Schon vor 20 Monaten habe die polnische Bahn PKP den Nachtzug nach Warschau mit Kurswagen nach Danzig und Krakau kurzfristig eingestellt. Vor der Fußball-Europameisterschaft im kommenden Jahr in Polen und der Ukraine melde sich ein Verkehrsmittel komplett ab, sagt Lutz.

Theoretisch lässt sich auch künftig mit dem Zug etwa nach Odessa oder Simferopol reisen – mit Umsteigen in Kiew. Fahrkarten werden in Deutschland aber nur bis in die Hauptstadt verkauft. Für die Weiterfahrt gibt es ein umständliches Faxbestellverfahren, das die Deutsche Bahn jedoch bald einstellen will. Entweder ist die Ukrainische Bahn bis dahin ins elektronische Reservierungssystem integriert. Oder die Reisenden müssen sich am Schalter in Kiew anstellen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false