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Unerwünscht. Diese beiden Teilorganisationen der Rockerbanden hat der Innenminister Schleswig-Holsteins bereits verboten: „Hells Angels MC Charter Flensburg“ und „Bandidos MC Probationary Charter Neumünster“.

© ddp

Banden: Die Rocker sind angezählt

Allein in den vergangenen Monaten gab es drei Tote. Nach Mordverfahren im Milieu von Hells Angels und Bandidos wird ein bundesweites Verbot diskutiert.

Berlin - Vermummte Polizisten begleiten den Kronzeugen, Scharfschützen stehen auf den Dächern am Landgericht Kaiserslautern, aus dem der 43-Jährige am Dienstag in seine Zelle geführt wird. Der Rocker gilt als Nummer eins auf der Todesliste der deutschen Hells Angels – weil seine Zeugenaussage nicht nur ihn, sondern auch ein loyales Mitglied für sieben Jahre hinter Gitter brachte. Mit einem Komplizen hatten die beiden 2009 den Lokalchef konkurrierender Rocker erstochen. Gestanden hat nur der in Zukunft wohl sehr einsame 43-Jährige.

Tote gab es um die Hells Angels zuletzt mehrfach. Im März erschoss ein Hells Angel bei Koblenz einen Elitepolizisten. Im Oktober tötete ein Anhänger der Höllenengel in Duisburg einen Mann der konkurrierenden Bandidos mit Kopfschuss. Und was Verrat bedeute, sagen Fahnder, werde am Beispiel eines Berliner Kampfsportlers deutlich: Der 33-jährige wurde im August 2009 erschossen, er habe die Hells Angels verlassen wollen, hieß es.

Rocker kämpfen um Reviere. Ermittler sagen, viele von ihnen seien im Drogen- und Waffenhandel sowie als Schutzgeldeintreiber aktiv. Dieselben Rocker, berichten Kenner, wollten aber auch mit ihresgleichen Motorrad fahren und auf rauschenden Festen die schönste Freundin vorzeigen. „Die sind ein Mix zwischen einem Drittel brutaler Mafia und zwei Dritteln coolem Freizeitverein“, sagt ein Rockeranwalt. Deutsche Innenpolitiker treibt derzeit aber nicht das Freizeitverhalten der Clubs um. Ein bundesweites Verbot der Bandidos und der Hells Angels steht zur Diskussion.

„Organisierte Kriminelle“, sind sich Polizeiverbände sicher und fordern das Verbot seit Jahren. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will sich mit seinen Länderkollegen über ein gemeinsames Vorgehen auf der Innenministerkonferenz Ende Mai abstimmen. Das ist neu, bisher wurden nur einzelne Chapter, also lokale Dependancen, der Clubs verboten. Vergangene Woche traf es die Hells Angels Flensburg und die Bandidos Neumünster, schon seit 1983 dürfen die Hells Angels in Hamburg nicht mehr als Verein auftreten.

In Thüringen wird es derzeit noch strafrechtlich probiert – mit dem Vorwurf „Bildung einer kriminellen Vereinigung“. Ende März hatte sich dort ein Bandido aus Weimar nach einjähriger Untersuchungshaft als Zeuge in einem Diebstahlsverfahren angeboten. Der 31-Jährige belastet ranghohe Clubbrüder. Auch in einem zweiten Thüringer Fall könnte er gegen ein komplettes Bandidos-Chapter der Anklage zum Sieg verhelfen.

Die meisten Politiker plädieren im Vorfeld der Innenministerkonferenz aber für ein Vereinsverbot. CDU, FDP, Grüne sind dafür, Berlins SPD-Innensenator Ehrhart Körting ebenfalls, sein Polizeipräsident unterstützt das Vorhaben gleich mit Zahlen: In den vergangenen fünf Jahren habe es in Berlin fast 800 Ermittlungsverfahren und 430 Festnahmen im Milieu gegeben. Verbote fordern auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter und die Gewerkschaft der Polizei.

Skeptisch ist Brandenburgs Innenminister Rainer Speer (SPD), der sich in der Frage auskennt. In der Mark waren zwar 2009 die den Bandidos nahestehenden Chicanos Barnim verboten worden. Dem bundesweiten Verbot indes stünden hohe vereinsrechtliche Hürden entgegen. Auch die Linke äußert Bedenken: Der Beweis, ob Hells Angels und Bandidos per se kriminelle Vereinigungen seien, stehe aus, sagte Ulla Jelpke, Innenexpertin der Partei. Und selbst die sonst für ihre harte Linie bekannte Polizeigewerkschaft DPolG warnt, Rocker könnten in der Illegalität ohne Kontrolle weitermachen.

In der Szene nimmt man die Debatte ernst. „Da wir keine kriminelle Vereinigung sind, versucht es der Staat nicht über das Strafrecht, sondern will uns als Verein an den Kragen“, sagte der Mitbegründer der deutschen Hells Angels, Rudolf „Django“ T., dem Tagesspiegel. „Der Vorteil: Die Behörden können alle Gelder abschöpfen, von denen sie glauben, die dienten dem Club.“ Gegen das Flensburg-Verbot prüfe man juristische Schritte. Auch die Konkurrenz ist besorgt. „Wir sind keine kriminelle Struktur, müssen die Diskussion aber leider dennoch ernst nehmen“, sagte Bandidos-Sprecher Micha R. dem Tagesspiegel. Straftaten einzelner Anhänger passierten nicht im Namen des Clubs. Das Bundeskriminalamt erstellt derweil immerhin ein Lagebild, was sonst nur bei Rechtsextremisten, Linksradikalen, Islamisten oder der Mafia geschieht. Fakt ist, Rockergewalt richtet sich fast ausschließlich gegen Konkurrenten in der eigenen Szene – und die ist mit kaum 6000 Männern ziemlich klein.

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