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Panorama: Blick ins Bodenlose

Indianer haben eine Touristenattraktion am Grand Canyon bauen lassen. Weiße Hüter indianischer Tradition fanden das nicht gut

„Es war eine Idee des Weißen Mannes“, sprach Emmett Bender, das 84-jährige Oberhaupt der Hualapai-Indianer mit feierlicher Stimme. „Genau wie die Autos und die Busse. Der Weiße Mann hat es gebaut. Und es ist ein starkes Ergebnis. Wir müssen der Sache eine Chance geben.“ Dann weihte er die mächtige, hufeisenförmige Konstruktion aus Stahl und Glas, die sich rund 23 Meter vom anstehenden rötlichen Fels in den Abgrund über dem Grand Canyon hinausschiebt. 1300 Meter tiefer gurgelt der Colorado River am Fuße der tiefen Schlucht. Der Glasboden des sogenannten „Skywalks“ erlaubt den Blick ins Bodenlose – die Illusion, wie ein Vogel zwischen Himmel und Erde zu schweben, ohne den festen Grund unter den Füßen zu verlieren.

Es soll die Touristenattraktion für die Saison 2007 werden. Bisher bekommen die Hualapai nur einen kleinen Teil des Geldsegens ab, den der Besucherstrom in die Region bringt. 250 000 Gäste pro Jahr zählen sie in ihrem 4046 Quadratkilometer großen Reservat im Westteil des Canyongebiets. 400 Kilometer weiter östlich, am Hauptzugang zum Grand Canyon Nationalpark sind es 4,1 Millionen jährlich. Die Idee hatte David Jin, der in Las Vegas ein Reiseunternehmen führt. 30 Millionen Dollar hat der Skywalk gekostet. Er soll den 2300 Stammesmitgliedern, die abseits der großen Touristenrouten leben, Einkünfte verschaffen, nachdem das Projekt eines Spielcasinos im Reservat 1995 gescheitert war.

Glücksspiel ist eine Haupteinkommensquelle für Indianer in anderen Regionen, besonders in Staaten, wo es außerhalb der Reservate verboten ist. 23 Milliarden Dollar pro Jahr setzt die Branche in Indianergebieten um. Aber im Fall der Hualapai litt die Idee unter der Nähe zu Las Vegas, dem Inbegriff des Glücksspiels in den USA. Auch für den Skywalk ist die Verkehrsanbindung ein Problem. Beim Bau der Interstate 40, Arizonas Hauptverkehrsader Ost-West, wurde eine Route südlich des Hualapaigebiets um Peach Springs gewählt. Von Las Vegas aus liegt der Skywalk dennoch nur gut halb so weit wie der Hauptzugang zum Grand Canyon.

Der Bau traf freilich auf scharfen Protest der Hüter der Indianertradition sowie von Umweltschützern. Der Canyon und sein Rand waren den Eingeborenen heilig. Die künstliche Aussichtsplattform sei ein Sakrileg, sagen die Traditionalisten. Umweltgruppen fürchten Schäden an der Natur durch zu viele Touristen. Die Stammesführung verteidigt sich: „Diese Leute haben gut reden. Sie sitzen mit sicheren Einkommen, Tofu, Pilaf und Plasmafernsehern in den Großstädten. Unser Stamm ist materiell in einer weniger guten Lage. Wir mussten etwas dagegen tun.“

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