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n der Enge der Kabine. Dieses Foto, das von der US-Transportsicherheitsbehörde NTSB freigegeben wurde, zeigt den nicht ausgebrannten Teil der Kabine.

© AFP/HANDOUT/NTSB

Bruchlandung in San Francisco: Wie evakuiert man eine volle Boeing 777 in 90 Sekunden?

Binnen 90 Sekunden müssen Flugzeuge in der Größe der Boeing 777 evakuiert sein - kein leichtes Unterfangen, das minutiös geübt wird. In San Francisco liefen andere Dinge schief.

Nach der Rettung von 305 Passagieren aus der Boeing 777 nach der Bruchlandung auf dem Flughafen San Francisco stellt sich die Frage, wie das überhaupt möglich war. Mehrere hundert Passagiere auf engstem Raum nebeneinandergepfercht, viele von ihnen panisch, viele von ihnen körperlich schwerfällig – wie schaffen die das?

Um seine Zulassung für den Linienverkehr zu erhalten, muss bei jedem neuen Flugzeugmodell der Nachweis erbracht werden, dass die Maschine im Notfall nach einer Bruchlandung binnen maximal 90 Sekunden evakuiert werden kann. Weil dann keine Zeit bleibt, Treppen heranzurollen, verfügt jedes Flugzeug neben den eigentlichen Türen über zusätzliche Notausgänge. Beide sind mit zusammengefalteten Notrutschen ausgestattet, die beim Öffnen automatisch aufgeblasen werden. Weil häufig auf einer Seite der verunglückten Maschine ein Feuer ausbricht, wird meist nur nach einer Flugzeugseite hin evakuiert.

Die Evakuierung wird auch mit schwerfälligen Personen geübt

Um den Nachweis zu erbringen, ist ein Test unter realistischen Bedingungen vorgeschrieben. Dazu werden von den Flugzeugherstellern freiwillige Komparsen verpflichtet, die einen realistischen Mix von Passagiertypen darstellen. Darunter sind auch schwerfällige und schwierige Personen. Kinder, Rollstuhlfahrer und Schwangere werden allerdings nicht zu solchen Übungen herangezogen, weil das Risiko zu groß ist.

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Beim jüngsten Test mit dem größten Verkehrsflugzeug der Welt, dem Airbus A380, brach sich eine Testperson ein Bein, viele andere erlitten Hautabschürfungen. Dafür war der zweistöckige Riesenjet, der pro Seite über acht Notausgänge – die Boeing 777 hat vier – verfügt, binnen 78 Sekunden geräumt, und das bei Dunkelheit.

Die Flugbegleiter lernen die Evakuierung in ihrer Ausbildung, so dass sie im Ernstfall auf alle Schwierigkeiten vorbereitet sind. Dafür verlieren die Flugbegleiter in einer solchen Notsituation ihren Charme. Da wird gebrüllt und geschubst und wenn ein Passagier beim Sprung auf die Rutsche zögert, wird er runtergestoßen.

Am Montag wurden Meldungen über haarsträubende Verhältnisse auf dem Flughafen von San Francisco bekannt.

San Franciscos Feuerwehrchefin Joanne Hayes-White musste einräumen, dass eines der beiden umgekommenen Mädchen möglicherweise von einem herbeieilenden Löschfahrzeug überrollt und tödlich verletzt wurde. „Das könnte im Chaos passiert sei“, sagte sie der Zeitung „San Francisco Chronicle“. Einem Gerichtsmediziner zufolge wies die Jugendliche jedenfalls keine schweren Brandwunden auf.

Piloten werden aufgefordert, selber auf den Abstand zur Nachbarmaschine zu achten

Weitere Meldungen sind beunruhigend. Laut einem Notam, wie die regelmäßigen Mitteilungen an die Piloten genannt werden, war der Gleitwegsender des Instrumentenlandesystems für die Parallelbahnen 28L und 28R des Flughafens bereits seit dem 1. Juni außer Betrieb. Dennoch wurden beide Pisten problemlos benutzt, täglich auch von Maschinen der Asiana. Flugkapitän Georg Fongern, ein erfahrener Langstreckenpilot und langjähriges Vorstandsmitglied des internationalen Berufspilotenverbandes IFALPA, sieht die Abschaltung auch nicht als ausschlaggebend für den Unfall. „Wir haben alle gelernt, den vorgeschriebenen Drei-Grad-Sinkwinkel auch mit großen Maschinen nach Sicht einzuhalten“, sagte er dem Tagesspiegel.

Allerdings, so sagt Fongern, ist „San Francisco ein Platz, der einem alles abverlangen kann“. Die Fluglotsen seien hier „nicht besonders pilotenfreundlich“. Der Airport verfügt über jeweils zwei relativ eng nebeneinanderliegende Start- und Landebahnen, die parallel betrieben werden. Die Flugzeugbesatzungen würden häufig aufgefordert, hier selbst auf den ausreichenden Abstand zum Nachbarn zu achten, womit die Controller aus der Verantwortung entlassen seien.

In San Francisco dürfen die Maschinen erst spät sinken

Auch dürfen die anfliegenden Maschinen erst relativ spät mit dem Sinkflug beginnen. Ein Verfahren, das allerdings auch an anderen Flughäfen zur Lärmminderung praktiziert wird. In San Francisco kommt noch die Nähe des landseitigen Flughafens Oakland dazu.

Die Chefin der US-Transportsicherheitsbehörde NTSB, Deborah Hersman, hatte in einer ersten Stellungnahme davon gesprochen, dass die Boeing 777 die Landegeschwindigkeit „erheblich“ unterschritten hatte. „Dann kracht es natürlich“, sagt dazu Georg Fongern. Schon wenn das Tempo um fünf Knoten (9,2 Kilometer) unter den ermittelten Richtwert liegt, „gibt es eine kräftige Landung“.

Mitarbeiter der Sicherheitsbehörde NTSB untersuchen das Wrack der Boeing 777.
Mitarbeiter der Sicherheitsbehörde NTSB untersuchen das Wrack der Boeing 777.

© AFP

Der fliegende Pilot war zwar schon mit der Boeing 747 nach San Francisco geflogen, absolvierte dort aber seine erste Landung mit der Boeing 777, sagte eine Sprecherin der Fluggesellschaft Asiana. Er war auf dem Modell relativ unerfahren, ihm zur Seite stand aber ein erfahrener Kollege. Offenbar hat die zweistrahlige Maschine bereits vor dem Erreichen der Landebahn eine Bodenberührung bekommen. Wie es scheint, hatten die Piloten noch viel zu spät versucht, mit dem Großraumjet durchzustarten. Die Boeing schlug so heftig auf die Piste auf, dass das Heck abbrach. Der Tatsache, dass sich das anschließende Feuer erst relativ langsam von der rechten Tragfläche aus ausbreitete, ist es zu verdanken, dass fast alle Passagiere und Besatzungsmitglieder das Flugzeug rechtzeitig verlassen konnten. Von Passagieren im Internet gepostete Fotos zeigen, wie Fluggäste die mit eingeknicktem Fahrgestell auf dem Boden liegende Boeing durch die Notausgänge verlassen, während auf der anderen Seite des Flugzeugs eine Rauchwolke aufsteigt.

Die private, südkoreanische Fluggesellschaft Asiana wurde 1988 gegründet und trat, nachdem sie die Aufnahmekriterien erfüllt hatte, 2003 der von Lufthansa dominierten Star Alliance bei. Sie gilt als zuverlässig und wurde mehrfach wegen ihrer Servicequalität ausgezeichnet.

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