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Helfer suchen nach Überschwemmungen in Chile nach Vermissten.

© dpa

Chile kämpft mit Naturkatastrophen: Wasser, Schlamm und Feuersbrünste

Chile kämpft seit Monaten mit verheerenden Naturkatastrophen. Der Klimawandel und staatlich geförderte Monokulturen sollen dafür mitverantwortlich sein.

Noch vor zwei Wochen lagen dicke Wolken aus Staub und Rauch über den ländlichen Regionen in Zentralchile. Die schwersten Feuersbrünste der Geschichte hatten mehr als 590 000 Hektar Wald zerstört. Nun sind es heftige Regenfälle, die Verwüstungen anrichten. Innerhalb von zwölf Stunden fielen am Samstag enorme Wassermassen am westlichen Abhang der Anden-Kordillere. Flüsse traten über die Ufer, Brücken stürzten ein, an vielen Stellen rutschten Hänge ab. In der Hauptstadtregion musste aufgrund der Verschlammung die Trinkwasserversorgung unterbrochen werden. Davon betroffen waren laut dem Katastrophenschutz Onemi 1,4 Millionen Menschen. Die Trinkwasserversorgung erfolgte währenddessen über Zisternen und Tankwagen.

Der für Montag geplante Schulbeginn wurde deshalb verschoben. Präsidentin Michelle Bachelet sprach den Betroffenen ihr Beileid aus und versicherte, der Katastrophenschutz werde sein Möglichstes tun, um Straßen zu räumen und die Wasserversorgung wiederherzustellen.

Drei Menschen kamen laut Onemi bei den schweren Regenfällen ums Leben, 19 wurden vermisst. Unter den Todesopfern war ein zwölfjähriges Mädchen, das zusammen mit seinen Eltern in der Region O’Higgins im Auto unterwegs war, als abrutschende Erdmassen das Fahrzeug unter sich begruben. Zwei weitere Menschen starben in der als Naherholungsgebiet von Santiago beliebten Bergregion Cajón del Maipo. 1200 Menschen waren dort von der Außenwelt abgeschnitten. Auch der Norden des Landes war betroffen. Aus der Oase San Pedro inmitten der Atacama-Wüste wurden 120 Menschen evakuiert, die in der Nähe eines sonst ausgetrockneten Flussbetts wohnten, das sich urplötzlich in einen reißenden Strom verwandelte.

Wissenschaftler machten den Klimawandel für die extremen Wetterphänomene verantwortlich. Regenfälle um diese Jahreszeit seien nicht ungewöhnlich, wohl aber in dieser Intensität und Häufigkeit, sagte Patricio Sarricolea, Geograf der Universität von Chile. „Wir müssen künftig mit mehr solchen Katastrophen rechnen und uns darauf besser vorbereiten“, forderte er. Das Frühwarnungssystem habe versagt, kritisierte der Katastrophenexperte Michel De L’ Herbe. „Die Wetterlage war bekannt. Die Behörden hätten sofort vor Wochenendausflügen in den Cajón de Maipo warnen und die lokale Bevölkerung darauf vorbereiten müssen“, sagte De L’ Herbe. Er forderte außerdem Bauverbote in Flussnähe und an erdrutschgefährdeten Abhängen.

Ende Januar starben nach Bränden elf Menschen

Politik und Wirtschaft standen auch schon nach den Bränden am Pranger, die Ende Januar mehrere Wochen in Zentralchile wüteten und elf Menschen das Leben kosteten. Betroffen waren vor allem für den Export bestimmte Eukalyptus- und Kiefernplantagen, die den Rohstoff für Papierfabriken und Spanplatten liefern. Umweltschützer warnen seit Langem vor den Monokulturen, die den Boden auslaugten, das Land von Nahrungsmittelimporten abhängig machten und die Biodiversität zerstörten. Früher, als in der Region noch Weizen und Mais angebaut wurde, habe es nie Brände gegeben, sagte der Bürgermeister des Ortes Pumanque, Francisco Castro, in dem die Brände begannen.

Die in Chile nicht heimischen Bäume hätten den Boden ausgetrocknet. Außerdem seien die Plantagen ohne die nötigen Sicherheitsabstände angelegt worden, sagte er dem Portal „Ciudadano“. Viele Dörfer in der Region sind inzwischen geradezu umzingelt von Monokulturen, die im Besitz reicher Unternehmerdynastien wie Matte und Angelini sind und von staatlicher Seite subventioniert werden. Eines der Dörfer, Santa Olga, brannte komplett nieder; die 5000 Bewohner konnten aber rechtzeitig evakuiert werden.

Während der Militärdiktatur von Augusto Pinochet (1973–1990) übernahm sein Schwiegersohn Julio Ponce die Staatliche Forstbehörde und gewährte per Dekret großzügige Subventionen von bis zu 75 Prozent für Baumschulen, um „erosionsgefährdete Gegenden wiederaufzuforsten“. Findige stiegen in das Geschäft ein; in den kommenden Jahrzehnten verwandelten sich 20 Prozent der ursprünglichen Wälder in Forst-Monokulturen. Führend sind die Gruppen Matte und Angelini. Sie kontrollieren 75 Prozent der Zelluloseexporte Chiles und kassierten in den vergangenen 40 Jahren über 600 Millionen US-Dollar Subventionen.

Unklar ist, wie es zu den Bränden kam. Die Polizei nahm 43 Menschen unter dem Verdacht auf Brandstiftung fest. Anwohner der betroffenen Gegenden äußerten gegenüber dem Radio der Universität Chile den Verdacht, die blaue Fichtenholzwespe könne der Grund dafür sein. Die Plantagen seien davon befallen gewesen, das Holz war damit wertlos für die Firmen, die durch den Brand nicht nur ihre Versicherung in Anspruch nehmen konnten, sondern sich des Schädlings billig entledigten, um nun Subventionen für neue Plantagen zu beantragen. Die Forstwirtschaft wies diese Vorwürfe von sich. Nur drei Prozent der von der Feuersbrunst betroffenen Flächen seien versichert gewesen, erklärte der Vorsitzende der Holzwirtschaftskammer, Fernando Raga.

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