zum Hauptinhalt
Die Häuser müssen ausgeräumt werden. Grimma am Donnerstag.

© Claus-Dieter Steyer

Hochwasser in Sachsen: Der Schock danach

In Grimma hat das Aufräumen begonnen – überall türmen sich Müllberge in den Straßen. Viele müssen ihre Häuser ausräumen. Möbel und Gebrauchsgegenstände sind verrottet.

Grimma - Es stinkt. Furchtbar. Die Notstromaggregate machen einen Riesenkrach. Staubwolken liegen in der Luft und machen das Atmen schwer. Jetzt, wo es trocken ist, wirbeln Autos und der Wind den Dreck in die Luft.

Auf den Fußwegen türmt sich das Hab und Gut der Einwohner der Altstadt Grimma bei Leipzig. Zum zweiten Mal innerhalb von elf Jahren hat die Mulde das eigentlich so liebenswerte und für eine halbe Milliarde Euro seit 2002 renovierte Zentrum unter Wasser gesetzt. Überall beginnt das mühevolle Aufräumen. Das steht zehntausenden Anrainern von Elbe, Saale, Schwarzer Elster und Mulde noch bevor. Denn in rund zwei Dritteln der in Ostdeutschland von der neuen Flut betroffenen Gebiete kämpfen die Menschen noch gegen die Wassermassen. Nur in Thüringen, im südlichen und westlichen Sachsen und im Großraum Leipzig können die schier unbeschreiblichen Folgen des neuerlichen Hochwassers schon betrachtet werden.

„Wir waren bei unserer Ankunft total schockiert“, sagt ein Feuerwehrmann aus Leipzig, der zusammen mit seinen Kameraden mit einem dicken Wasserstrahl der mitunter fast kniehoch stehenden Schlammschicht in den Straßen zu Leibe rückt. „Vieles hatten wir erwartet, aber so schlimm konnten wir es uns nicht vorstellen.“ Tatsächlich müssen sämtliche Wohnungen und Geschäfte ausgeräumt werden. Eine genaue Zahl ist noch nicht bekannt, aber es dürften mehr als 1 000 sein. Das Wasser hat hier rund drei Tage gestanden und alles unbrauchbar gemacht.

So landen nicht nur Tische, Schränke, Sessel und Stühle auf den Müllbergen entlang der Straßen, sondern auch Kühlschränke, Waschmaschinen, Kaffeeautomaten, Bekleidung und Bücher. Am Ende fliegen Teppiche, Auslegeware und selbst Tapeten aus den Fenstern. Inmitten des Durcheinanders versucht Anja Wicher die Menschen etwas aufzumuntern. Ihr Schild am Jackett weist sie als Notfallseelsorgerin der Diakonie aus. „Die Betroffenen gehen natürlich ganz unterschiedlich mit den Folgen um“, sagt die Frau aus Bad Lausick. „Am besten fühlen sich alle, wenn sie sich in den ersten Tagen in die Arbeit stürzen können. Da bleibt keine Zeit zum Nachdenken. Aber nach drei, vier Tagen wendet sich oft das Blatt.“ Da würden sie ins Grübeln geraten, warum sie schon wieder so hart getroffen worden sind. Sie stellten dann mitunter ihr ganzes Leben infrage und denken an andere Schicksalsschläge zurück, erzählt die Frau. „In vielen Fällen höre ich einfach nur zu. Die Menschen sind dafür sehr dankbar und erzählen.“ Manchmal ziehe dann sogar ein kleines Lächeln über ihre Gesichter, wenn sie merken würden, dass das Wasser diesmal nicht ganz so hoch wie 2002 gestanden hat."

Außerdem, so heißt es immer wieder, hätten sich die Einwohner diesmal zwei Tage länger auf das Räumen ihrer Wohnungen vorbereiten können. Wertvolle Dinge wie Fotoalben, Papiere, persönliche Erinnerungen sowie Fernseher und Computer konnten in vielen Fällen rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden. Doch vor allem Gewerbetreibende stehen vor dem Aus. Nicht wenige müssen noch Kredite für die Schadensbeseitigung des letzten Hochwassers abzahlen. „Wir hoffen deshalb, dass auch diesmal wieder viel Unterstützung von außerhalb kommt“, sagte Oberbürgermeister Matthias Berger. „Mit der Bereitschaft der vielen freiwilligen Helfer können wir jedenfalls sehr zufrieden und dankbar sein.“ Auf dem Marktplatz stehen für sie Toiletten. Das Rote Kreuz verteilt Suppe.

Gestern Nachmittag begann auch die Auszahlung der Soforthilfe für Betroffene. Jeder Erwachsene erhielt 400 Euro, für jedes Kind gab es 250 Euro. Die Gesamtsumme pro Haushalt ist auf 2000 Euro begrenzt. Gewerbetreibende müssen ihre Schäden genau auflisten.

Diese Arbeit kommt auf zehntausende Betroffene im übrigen Sachsen und Sachsen-Anhalt noch zu. Schließlich stehen die Altstädte von Bad Schandau, Pirna, Meißen und Riesen noch bis zu zwei Meter hoch im Hochwasser der Elbe. Wenigstens dürften hier in den nächsten Tagen überall die Pegelstände weiter zurückgehen, nachdem der Hochwasserscheitel am Vormittag die Altstadt von Dresden passierte. Mit 8,75 Metern blieb der Höchststand vom August 2011 zum Glück unerreicht. Damals war die Elbe auf 9,40 Meter angestiegen und hatte in der Semperoper, im Schauspielhaus und im Zwinger riesige Schäden angerichtet. Diesmal hielten Spundwände den Fluss im Bett. Claus-Dieter Steyer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false