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Panorama: Die Deutschen und ihr Talent zum Genießen Ein präsidialer Sommerabend mit Botschaftern und Wein

Hätten die Deutschen bei Weltmeisterschaften im Genießen eine Chance? Früher hätte man gleich gesagt: „Auf keinen Fall!

Hätten die Deutschen bei Weltmeisterschaften im Genießen eine Chance? Früher hätte man gleich gesagt: „Auf keinen Fall!“ Aber das Image wandelt sich langsam, und der Bundespräsident hilft dabei. Zum ersten Mal hatte Johannes Rau die in Deutschland akkreditierten Botschafter mit ihren Ehepartnern zum Sommerabend mit Winzern und Musikern in den Präsidentengarten des Schlosses Bellevue gebeten. Der blüht um diese Zeit besonders schön in allen Farben. Afrikanische und asiatische Diplomatinnen wetteiferten in ihren schönsten Trachten mit den leuchtenden Blumen.

Von über 200 biblischen Weinpassagen gab es seitens des Gastgebers diesmal nur eine kleine Auswahl, zum Beispiel die, dass ein Bischof kein Weinsäufer sein soll. Auch viele Diplomaten sind selbst keine Weintrinker, aber sie schenken in ihren Botschaften Wein an Gäste aus. Was man da so nehmen kann, dafür gaben die rheinland-pfälzischen Winzer wohltemperierte Anregungen. Das größte Weinbauland mit einer Jahresproduktion von 10 Millionen Hektolitern durfte den ersten Abend dieser Art bestreiten, der natürlich der weiteren Imagepflege des deutschen Weins gewidmet war. Neben Zitaten gab es auch Zahlen, zum Beispiel die, dass jeder Deutsche 23 Liter Wein jährlich trinkt. Mario Adorf übernahm die Rolle des Image-Missionars: „Vor wenigen Jahren noch ging man davon aus, dass Gott in Frankreich isst und in Italien lebt. Die Deutschen standen in dem Ruf gute Waschmaschinen zu bauen und wenig vom Genießen zu verstehen.“ Dass sich das radikal geändert hat, zeige unter anderem eine neue selbstbewusste Winzergeneration, die sich hohe Ziele steckt.

Bei Räucherlachs mit grünem Spargel und Wachtelbrüstchen widmeten sich die Botschafter dann ihren eigenen Themen und Erfahrungen. Ja, sie glauben gerne, dass die Deutschen ein Talent zum Genießen haben. Aber bei aller Romantik des schönen Frühsommerabends liefert eine deutsche Besonderheit den Diplomaten immer noch unerschöpflichen Anekdotenstoff: Wenn Gott Bürokratie genießen will, führt offenbar nach wie vor kein Weg an Berlin vorbei.

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