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Panorama: Die wollen nur mitspielen

In Athen werden streunende Tiere vergiftet – weil sie das Stadtbild der Olympia-Macher stören?

Jeden Nachmittag fütterte die Rentnerin Fani Papadopoulou die Katzen in ihrer Nachbarschaft im Athener Stadtteil Kallithea. Die Tiere, mehr als ein Dutzend, waren der alten Frau ans Herz gewachsen. Doch vor zwei Wochen fand sie sechs der Katzen tot in der Nähe der Futterstelle. „Es war ein furchtbarer Anblick“, sagt die Pensionärin. Offenbar waren die Tiere vergiftet worden.

Noch vor kurzem bestimmten streunende Hunde und Katzen in Athen das Straßenbild. Doch jetzt begegnet man immer seltener frei herumlaufenden Tieren, und immer öfter werden vergiftete Tiere gefunden. „Es gibt jeden Tag eine Vielzahl solcher Fälle“, sagt Anna Palaki vom griechischen Tierschutzverein. „Allein in Kallithea wurden während der vergangenen Wochen fast alle Katzen vergiftet, mehr als 60 an der Zahl“, berichtet Palaki. Die Zahl der vergiftet aufgefundenen Hunde gehe mittlerweile in die Hunderte. Allein in der Gegend von Mesogeia, im Norden Athens, gab es nach Angaben von Tierschützern bereits rund 400 Fälle.

Tierschützer vermuten einen Zusammenhang mit den bevorstehenden Olympischen Spielen, die am 13. August beginnen. Die Organisatoren treibt schon lange die Sorge um, die herrenlosen Hunde, deren Zahl in Athen auf 10 000 geschätzt wird, könnten das Bild der Olympiastadt trüben oder gar Besucher anfallen. Anfängliche Überlegungen, die Tiere einzufangen und während der Spiele in riesigen Zwingern am Stadtrand wegzuschließen, ließ man angesichts der Proteste von Tierschützern wieder fallen.

Viele Straßenköter sind friedlich

Ende vergangenen Jahres beschloss die damalige sozialistische Regierung, alle Streuner sterilisieren zu lassen, um wenigstens der weiteren Vermehrung Einhalt zu gebieten. Nach der Sterilisierung sollen die Tiere mit einem Halsband gekennzeichnet und wieder in ihrer gewohnten Umgebung ausgesetzt werden. Auf einer Hundemarke werden eine Identitätsnummer, der Stadtteil, in dem die Tiere leben, und das Datum der Sterilisation oder Kastration vermerkt. Lediglich aggressive Hunde, die eine „Gefahr für die öffentliche Gesundheit oder Sicherheit“ darstellen, sollen eingeschläfert werden.

Doch gefährlich sind die allerwenigsten Athener Straßenhunde. Sie benehmen sich in der Regel sehr friedlich, lassen sich gerne von den Passanten streicheln, warten an den Kreuzungen artig mit den Fußgängern auf das Grün der Ampel und trinken aus den Futternäpfen und Wasserschüsseln, die manche Athener Geschäftsleute vor ihren Läden auf die Bürgersteige stellen. Kurzum: die meisten Bewohner der griechischen Hauptstadt haben nichts gegen die zotteligen Tiere. Umso mehr bedauern es viele Bewohner, wenn sie immer häufiger in Grünanlagen und Parks tote Hunde entdecken.

Die Verantwortung für die Sterilisation der Hunde liegt, so bestimmt es ein Gesetz, bei den Kommunen. Die Stadt Athen hat bereits ein entsprechendes Programm organisiert und mehrere Hundert Hunde behandeln lassen. Doch sie umfasst nur das Zentrum, das lediglich 38 der insgesamt 426 Quadratkilometer der griechischen Metropole umfasst. Groß-Athen besteht aus einem administrativen Flickenteppich von über 80 Kommunen. Die Olympischen Spiele finden deshalb genau genommen gar nicht in Athen statt, sondern in Maroussi, Faliron und Hellenikon, wo sich die meisten Sportstätten befinden. Und viele Bürgermeister dieser Kommunen machen nun offenbar kurzen Prozess mit den herrenlosen Tieren: Vergiftetes Futter auszulegen ist billiger als die Sterilisation.

Die Tierschützerin Anna Palaki glaubt nicht an Einzeltäter. „Das ist eine organisierte Aktion“, sagt sie. Viele Gemeinden im Großraum Athen hätten bisher gar keine Vorbereitungen für die Sterilisation getroffen – und ausgerechnet in diesen Gegenden würden immer häufiger Tiere vergiftet, berichtet Palaki. Die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden geben sich ahnungslos. Der Tierschutzverein will jetzt Kommunen anbieten, bei der Sterilisation zu helfen. „Aber viele Gemeinden scheuen offenbar die Kosten“, sagt die Vereinsfunktionärin.

Ein bisschen Hoffnung für die Straßenköter gibt es aber: Vor den Olympischen Spielen sollen herrenlose Tiere geimpft sowie doch noch kastriert oder sterilisiert werden. Dazu würden sie eingefangen und in eine Hundestation in einem Vorort gebracht werden, sagte eine Sprecherin der Stadt. Die Tiere könnten dann eine Hundemarke mit der Aufschrift „Athen 2004“ tragen. Die Lösung sei zwar nicht ideal, aber immerhin ein Fortschritt, hieß es.

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