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Auf einem Grashalm wartet eine Zecke auf ein Opfer. Allein in Brandenburg erkranken im Jahr etwa 2000 Menschen an der durch Zecken übertragbaren Borreliose.

© Patrick Pleul/picture-alliance/ dpa

Folgen des Klimawandels: Die Zecken kommen

Kleine Blutsauger und Krankheitsüberträger breiten sich in Süddeutschland immer weiter aus. Wegen des Klimawandels sind sie länger aktiv und kommen in mehr Regionen vor – auch in Berlin.

Eine Zeckenzange sollte in naher Zukunft auch in Berlin und Brandenburg zum Erste-Hilfe-Set gehören. Vor allem bei Ausflügen in den Wald, ins Unterholz oder durch hohe Wiesen. Denn der Gemeine Holzbock, die bis vor ein paar Jahren vor allem in Süddeutschland heimische häufigste deutsche Zeckenart, ist unaufhaltsam auf dem Weg in den Norden. Der Klimawandel macht es möglich.

Nächte Woche tragen die Experten beim dritten Zeckenkongress der Universität Hohenheim in Stuttgart ihr Wissen zusammen und geben es direkt im Anschluss auch an Ärzte weiter. Das ist vor allem deshalb nötig, weil viele der von Zecken übertragenen Krankheiten eher unspezifische Symptome auslösen. Die Lyme Borreliose, die durch Bakterien übertragen wird, lässt sich manchmal durch die sogenannte Wanderröte nachweisen. Dann bildet sich ein geröteter Ring um die Bissstelle der Zecke. Die Erkrankung selbst ist von einer leichten Grippe ebenso schwer zu unterscheiden wie die neuerdings auch durch Zecken übertragene Hasenpest, ebenfalls eine durch Bakterien ausgelöste Erkrankung. Selbst die gefürchtete FSME, die Frühsommer-Meningoenzephalitis, also eine durch Viren ausgelöste Hirnhautentzündung, verläuft in vielen Fällen kaum anders als eine schwere Erkältung. Bei manchen Menschen bleibt sie auch völlig symptomfrei. Ein Risiko ist sie vor allem für Menschen jenseits der 50. Dort werden schwerere Verläufe beobachtet.

Kein Grund zur Panik

Ein Grund zur Panik sind die 221 im vergangenen Jahr gemeldeten Fälle von FSME aber nicht. 2014 waren es 265 und 2013 noch 420 Fälle. Allerdings gibt Ute Mackenstedt, Professorin der Universität Hohenheim, zu bedenken: „Grund für die rückläufigen Zahlen sind zwei besonders heiße und trockene Sommer.“ Die Zeckenexpertin sagte bei einer Pressekonferenz in Stuttgart: „Bei solchen Temperaturen sind weder Mensch noch Ixodes ricinus, der Gemeine Holzbock, sonderlich aktiv, sodass beide nicht zusammenkommen.“

Zecken haben süddeutsche Gärten erobert

Seit 2014 überwacht Mackenstedts Team 100 Gärten in Stuttgart auf Zecken. In 60 Prozent der Gärten haben die Forscher die Spinnentiere gefunden. Zu den beobachteten Gärten gehören Haus-, Obst- und Schrebergärten. Die Forscher ziehen regelmäßig weiße Stoffbahnen über Rasen und Büsche hinter sich her. Die Zecken wechseln auf die „Zeckenfahnen“ und werden anschließend abgesammelt und gezählt. Für Mackenstedt ist das wichtigste Ergebnis dieser Forschung: „Wer aus der Haustür tritt, steht im Lebensraum der Zecken.“ Selbst in kleinen und gepflegten Gärten in den Stadtrandgebieten seien die Zecken noch anzutreffen, berichtet sie. „Man kann einen Garten nicht zeckenfrei halten“, ist sich Mackenstedt sicher. „Einmal eingeschleppt, bilden sie stabile Populationen.“ Die Tiere kommen dabei nicht überall im Garten vor. Manchmal würden sie sich auf kleine Stellen beschränken, sagt Mackenstedt: „In einem Garten fanden wir Zecken nur in einem kleinen Rosmarinstrauch.“

Zecken selbst zu Weihnachten

Olaf Kahl, Geschäftsführer der Berliner Firma Tick-Radar, die eine Internetseite mit wetterbezogenen Zeckeninformationen betreibt, wies darauf hin, dass die Tierchen inzwischen von Februar bis Dezember aktiv sind. Auch das eine Folge milderer Temperaturen in einer sich erwärmenden Welt: „In diesem Winter haben wir in unseren Zeckenstationen sogar an den Weihnachtsfeiertagen aktive Zecken gefunden.“

Dass die Zecken in Richtung Norden wandern, hat das Umweltbundesamt (UBA) seit Jahren mit verschiedenen Forschungsvorhaben nachgewiesen. Im Klimaanpassungsprogramm gab es beispielsweise in Nordhessen bis 2009 ein Forschungsprojekt, bei dem Bürgerinnen und Bürger Zecken sammelten und den Fundort dokumentierten.

Das deckt sich mit den Forschungen von Gerhard Dobler. Der Mediziner leitet das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr und ist Leiter des Deutschen Konsiliarlabors für FSME. Bisher lägen die Gebiete mit FSME-Vorkommen überwiegend in Baden-Württemberg und Bayern sowie in kleineren Teilen von Thüringen, Hessen, Sachsen und Rheinland-Pfalz. Allerdings sind zuletzt auch FSME-Fälle aus Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt gemeldet worden.

Mit den Blutsaugern leben

Für Ute Mackenstedt ist klar, dass die Deutschen vor allem in Süddeutschland, aber mehr und mehr auch in Norddeutschland lernen müssen, mit den Zecken zu leben. Die Arbeitsgruppe Umwelt und Gesundheit des UBA und des Robert-Koch-Instituts (Apug) rät deshalb dazu, im Wald und bei Spaziergängen über die Felder auf den Wegen zu bleiben und nicht querfeldein zu wandern. Außerdem empfiehlt es sich, lange helle Hosen und Hemden zu tragen und diese in die Socken und die Hose zu stecken. Dann sind Zecken leicht zu finden und abzuklopfen. Außerdem sollten Haut und Kleidung regelmäßig auf Zecken abgesucht werden. Hat sich eine Zecke festgebissen, sollte sie möglichst schnell entfernt werden – mit einer spitzen Pinzette oder einer Zeckenkarte. Die Viren und Bakterien verbreitet die Zecke während ihrer Blutmahlzeit, in dem sie immer wieder Blut zurückspuckt, das mit ihren Magensäften vermischt ist. Das passiert umso häufiger, je mehr Blut das Tier bereits gesaugt hat. In der Hochzeit, also im Frühsommer, empfehlen die Apug-Experten auch Insektensprays.

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