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Panorama: Ein deutscher Grenzwert

Aschepartikel gefährden Flugzeuge. Umstritten in Europa ist aber, ab welcher Konzentration

Der Schaden durch die vorübergehende Sperrung des Luftraums in Norddeutschland am Mittwoch dürfte im Vergleich zum Vorjahr sehr gering ausfallen. Im April 2010 waren europaweit rund 100 000 Flüge ausgefallen, mehr als zehn Millionen Passagiere konnten nicht reisen, nach Angaben der Internationalen Luftfahrtvereinigung in Genf verursachte „das Missmanagement von 2010“ dem internationalen Luftverkehr einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro. Der wirtschaftliche Schaden für die Lufthansa betrug nach Angaben eines Sprechers rund 200 Millionen Euro. Doch angesichts der immer noch unterschiedlichen Handhabung der Grenzwerte, bei denen in den europäischen Staaten der Luftraum gesperrt wird, forderten Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Airlines jetzt einheitliche europäische Richtwerte.

Dass Vulkanasche erhebliche Gefahren für Flüge bedeuten kann, ist erwiesen. Zum einen können die kleinen, scharfkantigen Partikel dazu führen, dass die Scheiben undurchsichtig werden. Sie können aber auch Triebwerke beschädigen. „Wenn sie in die Brennkammer geraten, können die Ascheteilchen schmelzen und sich an den Turbinenschaufeln, die sich unmittelbar dahinter befinden, wieder abscheiden und erstarren“, sagt Dieter Peitsch, Triebwerksexperte von der TU Berlin. Das Problem: Die Bauteile haben viele kleine Löcher, durch die ständig Luft zur Kühlung strömt – die dann verstopfen. „Fehlt die Kühlung, schmelzen die Schaufeln in der Hitze, das Triebwerk fällt aus.“ Ob und wie stark die Schäden sind, hänge aber von der Konzentration der Asche und ihrer chemischen Zusammensetzung ab. Der Grenzwert von zwei Milligramm Asche pro Kubikmeter Luft, wie in Deutschland jetzt festgelegt, beinhalte viele Sicherheitszuschläge und sei damit sicher, meint Andreas Döpelheuer vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln. „Das eigentliche Problem ist aber: Gibt es diese Wolke überhaupt?“ Wie im vergangenen Jahr seien die Warnungen aufgrund von Computermodellen ausgegeben worden. „Damals haben Messflüge gezeigt, dass die realen Werte weit unter den berechneten lagen.“

Und so wurde auch jetzt wieder die Forderung laut, die angekündigte Wolke zu vermessen. Dazu haben Wissenschaftler vom Forschungszentrum Jülich in Rendsburg mithilfe von Lasertechniken Höhe und die vertikale Ausdehnung der Wolke bestimmt sowie zeitliche Veränderungen. Diese Messungen vom Boden aus sind aber wenig präzise. Deshalb startete am Nachmittag ein speziell ausgerüsteter Lear-Jet zu einem mehrstündigen Messflug. Bis zum Redaktionsschluss lagen noch keine Ergebnisse vor. Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig hat ebenfalls Lasermessungen vorgenommen. Demnach war der Aschegehalt über Leipzig weniger als 0,05 Milligramm pro Kubikmeter Luft.

Verkehrsminister Ramsauer forderte eine einheitliche Handhabung der Luftsicherheitsrichtlinien in Europa. „Es geht nicht, dass wir in Deutschland sagen, bei 2 Milligramm pro Kubikmeter Luft ist Schluss, und in Frankreich etwa wird zwischen zwei und vier Milligramm munter weiter geflogen – mit Begründungen, die der deutschen Sicherheitskultur nicht entsprechen.“ Trotz der Ausfälle kritisierte die Lufthansa die aktuellen Luftraumsperrungen nicht. Aber auch hier drängt man auf Europa-Regeln. mit dpa, dapd, AFP

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