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Der Gerichtssaal. Hier wird der Diebstahl der Akten verhandelt. Der Angeklagte sitzt die ganze Zeit fast versteckt ganz am Rand (3. von links). Geht es nur um ihn? Foto: dpa

© dpa

Panorama: Ein Rätsel des Vatikans

Nur eine Woche soll der Prozess gegen den Butler des Papstes dauern.

Normalerweise werden hier nur kleine Taschendiebstähle verhandelt. Und so verströmt der Saal, in dem die vatikanische Justiz seit Samstag einen weltweit beachteten Prozess zelebriert, den Charme eines Amtsgerichts irgendwo in der Provinz. Klein, spartanische Einrichtung, dunkel lasierte Holzmöbel, Stuck an der Decke. Links immerhin – nahe am Staatsanwalt, also dem Vertreter der Anklage – hängt das Porträt von Papst Benedikt XVI. An anderer Stelle hat sich per Wappen auch noch Papst Pius XI. verewigt, der das Gerichtsgebäude links vom Petersdom vor etwa achtzig Jahren eingerichtet hat: der Vatikan war damals ein eigener Staat geworden und brauchte das entsprechende Zubehör. Hier also tritt an diesem Morgen auf: der Vatikanbürger Paolo Gabriele, 46 Jahre alt, Vater dreier Kinder, suspendierter, im Hausarrest befindlicher Kammerdiener Seiner Heiligkeit, angeklagt des Schweren Diebstahls.

Es hätte härter kommen können für Benedikts Butler. Schließlich soll er viele Dokumente aus dem Büro des Papstes und dessen Privatsekretär Georg Gänswein entwendet und den Medien zugespielt haben. Da wäre auch Geheimnisverrat als Anklage dringewesen – doch darauf hat der vatikanische Staatsanwalt, Nicola Picardi, verzichtet. Entweder weil die Dokumente im strengen Sinn zwar vertraulich, aber so furchtbar geheim nicht waren, oder weil man’s im Schatten des Petersdoms nicht zu hart machen wollte für einen Angeklagten, den am Ende auch so schon bis zu vier Jahre Haft erwarten – oder, aber erst nach gebührendem Schuldspruch, die Begnadigung durch den Papst. Wie auch immer, Gabriele, im eleganten grauen Anzug wie aus dem Ei gepellt, ernst, still, aber nicht übermäßig bedrückt im Auftreten – er stellt sich seinem Prozess. Der andere, der Computertechniker Claudio Sciarpelletti, der Beihilfe angeklagt, er verzichtet auf sein Erscheinen. Ihn kennt die Öffentlichkeit noch nicht von Angesicht, und der 48-Jährige, der seinen Job im vatikanischen Staatssekretariat wohl verwirkt hat, will sich seine Zukunft nicht verbauen. Der Prozess ist öffentlich in dem Sinn, dass der Vatikan acht Journalisten zugelassen hat – vier feste Posten, vier rotierende –, die dem draußen wartenden, riesigen Rest der Weltmedien nach jeder Sitzung weitersagen, was drinnen los war. Lange soll es sowieso nicht dauern; der Vorsitzende Richter Giuseppe Dalla Torre rechnet damit, die Sache bereits in vier Verhandlungstagen, bis zum Ende der Woche, über die Bühne zu bringen.

Dalla Torre und seine zwei Beisitzer sind Laien – wenigstens in kirchlichem Verständnis. Sie bekleiden kein kirchliches Amt. Im Hauptberuf sind sie honorige Rechtsprofessoren. Acht Zeugen sind im Fall Gabriele geladen. Als der prominenteste gilt Benedikts Schwarzwälder Privatsekretär Georg Gänswein, der den Aktendieb eigenhändig ertappt hat und der den Butler des Papstes während der Ermittlungen als recht einfaches Gemüt geschildert hat: „Man musste ihn zu allem eigens anleiten.“ Das meiste aber wird von der Aussage Gabrieles selbst abhängen, die für morgen, Dienstag, geplant ist. Wird der Angeklagte nur zu seiner eigenen Rolle etwas sagen? Oder auch zu den Leuten, die hinter ihm standen, die ihn womöglich gebeten oder gedrängelt haben, seine Vertrauensposition auszunützen? „Der Heilige Geist“ selbst, so sagte Gabriele in den Verhören bisher, habe ihn bewogen, Dokumente herauszugeben und dem Papst damit beim Hausputz zu helfen. „Ich habe Übel und Korruption überall in der Kirche gesehen und war mir sicher, dass ein Schock, auch über die Medien, heilsam sein könnte für die Kirche“. In Rom aber glauben praktisch alle, dass sich der „Heilige Geist“ dem Butler durchaus in Menschengestalt genähert hat – und konkrete Namen trägt, nicht nur jene rätselhaften Initialen, die im Spruch des Untersuchungsrichters stehen. Welche Rolle etwa spielte Gabrieles Beichtvater, der gestohlene Dokumente zwar gesehen, dann aber verbrannt haben will? Oder wer ist „W.“, jener Kleriker, der den Computertechniker Sciarpelletti als Verbindung zu Gabriele nutzen wollte? Womöglich wird’s die Welt nie erfahren. Damit sind nur Laien verdächtig; Kleriker – Bischöfe, Kardinäle womöglich – bleiben auch deshalb außen vor, weil die geheimen Ermittlungsakten der päpstlichen Kommission nicht in den Prozess gegen Gabriele einfließen werden.

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