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Eurokrise: Wohin die Milliarden fließen

Tagesspiegel-Redakteur Harald Schumann zeigt im Verlagshaus seine Dokumentation „Staatsgeheimnis Bankenrettung“. Und erklärt dabei, wer am meisten von der Rettung der Geldhäuser profitiert

Wie kommt ein eingefleischter Print-Journalist und Mann des geschriebenen Wortes dazu, einen Film zu drehen? Harald Schumann, Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel, ist den Lesern bekannt als Autor scharfsinniger Analysen zur Finanzkrise, für seine investigativen Recherchen zu weltweiten wirtschaftlichen Verflechtungen. Er hat Bücher wie „Die Globalisierungsfalle“, „Der globale Countdown“ und „Die Hungermacher“ über Nahrungsspekulation an der Börse geschrieben. Aber dass er nun eine TV-Dokumentation über die Bankenrettung gedreht hat, dafür gibt es einen sehr lokalen Grund: den Kinderladen seiner Söhne.

Dort nämlich lernte er vor Jahren einen anderen Vater kennen, den Fernsehregisseur Arpad Bondy. Und Bondy erkannte schnell die Fähigkeit seines Freundes, komplizierte wirtschaftliche Zusammenhänge so zu erklären, dass auch Laien sie verstehen und gerne zuhören. Er überzeugte Schumann davon, sein Wissen und sein Erklärtalent vor die Kamera zu bringen. Gemeinsam drehten sie nun für „arte“ eine Dokumentation mit dem Titel „Staatsgeheimnis Bankenrettung“.

Die Frage hinter der 52-minütigen Dokumentation lautet: Wohin fließen die Milliarden, mit denen die in Not geratenen Banken Spaniens oder Irlands vor der Pleite bewahrt wurden? Wer profitiert davon, dass diese Banken gerettet wurden? Um die Frage zu beantworten, sind Harald Schumann und Arpad Bondy mit einem Kamerateam quer durch Europa gereist. Sie haben Parlamentarier, Wissenschaftler und Blogger aus Spanien und Irland interviewt, mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und dem spanischen Wirtschaftsminister Luis de Guindos gesprochen. Und sie haben die Schauplätze der Euro-Krise besucht. Eine eindrucksvolle Szene etwa zeigt Schumann, wie er durch eine Feriensiedlung im spanischen Castilla-La-Mancha läuft: In den halb fertigen Häusern, für 1300 Urlauber geplant, erholt sich niemand – Investitionsruinen, so weit das Auge reicht.

Die überraschende Erkenntnis aus den Interviews und Analysen lautet: Die Profiteure der Bankenrettung sitzen nicht in den ärmeren Euro-Staaten, sondern hauptsächlich in Deutschland und Frankreich. Die Milliarden fließen nämlich zurück zu den Gläubigern – zu den meist deutschen oder französischen Anlegern, die den spanischen oder irischen Banken Geld geliehen haben, um fragwürdige Projekte zu finanzieren. Hätten diese Anleger nicht überprüfen müssen, ob die Projekte Hand und Fuß haben, so wie eine Bank ja auch vom privaten Häuslebauer Nachweise verlangt, dass seine Investition sinnvoll ist und seine Einkommensverhältnisse es erlauben werden, den Kredit zurückzuzahlen? „Nicht die Steuerzahler, sondern die kreditgebenden Anleger selbst sollten das Risiko tragen“, sagt Harald Schumann. „Wenn sie unklug investieren, ist das ihr eigenes Problem.“

Den Film, der auf arte bereits gelaufen ist, zeigt Harald Schumann jetzt im Tagesspiegel-Salon und diskutiert darüber mit Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff und dem Publikum. Er wird an dem Abend von seinen Recherchen erzählen und auch davon, wie er als Zeitungsjournalist die Fernseharbeit empfunden hat. „Am Anfang fühlte ich mich sehr unsicher vor der Kamera“, erinnert sich Schumann. Anzumerken ist es ihm nicht. Dass die beiden Medien unterschiedlich funktionieren, zeigte sich ihm zum Beispiel beim Interviewen: „Wir haben dreimal so viele Leute interviewt wie im Film gezeigt. Vieles konnten wir aber nicht verwenden, weil die Interviewpartner keinen geraden Satz rausgekriegt haben.“ Was ein Print-Journalist nachträglich klarer und knapper hätte formulieren können, das bleibt in der Fernsehaufnahme eben genauso wolkig oder so kompliziert, wie der Betreffende es gesagt hat.

Im Film wirkt Schumanns Tagesspiegel-Büro wie eine Hightech-Zentrale, es wurde für die Aufnahmen technisch und optisch aufgerüstet. In der schnöden Wirklichkeit braucht Harald Schumann nur ein Telefon und einen normalen Computer für seine Arbeit. Diese Arbeitsmittel reichen aus, um dem Staatsgeheimnis Bankenrettung auf die Spur zu kommen – aber die Fernsehbilder schaffen es, das Staatsgeheimnis auch für die Laien unter uns durchsichtig zu machen.

Harald Schumann berichtet von seinen Recherchen zur EuroKrise. Montag, 29. April, Beginn 19.30 Uhr. Eintritt inklusive Sekt und Snack zwölf Euro. Die Veranstaltung ist ausverkauft.

Foto: Mike Wolff

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