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Vor allem Burger sind bei den Russen beliebt.

© Kai-Uwe Heinrich

Fastfood-Werbung soll verboten werden: Die dicken Kinder von Russland

Die Russen essen zu viel Salz, zu viel Zucker und zu viel Fette. Der Gesetzgeber sieht akuten Handlungsbedarf - und will jetzt Werbung für Fastfood verbieten.

Seit der Perestroika sind US-amerikanische Fastfood-Ketten auch in Russland präsent. Mehr noch, trotz Krise und Sanktionen expandieren sie und verdienen jedes Jahr mehr Geld. 2014 machte die Branche wieder einen Rekordumsatz: 1,23 Billionen Rubel, das sind mehr als 19 Milliarden Euro. Das Ergebnis: dicke Kinder mit Diabetes, Bluthochdruck und Cholesterinwerten, die man bei 85-Jährigen vermutet. Die Russen essen zu viel Salz, zu viel Zucker, zu viel Fette. Ernährungswissenschaftler haben das Problem längst erkannt. Jetzt aber sieht auch der Gesetzgeber akuten Handlungsbedarf.

Gleich nach der Sommerpause will die Duma Werbung für Fastfood drastisch einschränken. Vor allem dort, wo Kinder verführt werden können: in der Nähe von Schulen, Sportstätten, Freizeitzentren und Metrostationen. Auch das Fernsehen darf Fastfood nur noch dann bewerben, wenn Kinder schon im Bett sein sollten. Zwischen 22 Uhr und 7 Uhr morgens. Kinder, so sagt die Psychologin Anna Barskaja, seien unkritisch und daher für Werbung besonders empfänglich. Eingebracht hat die Vorlage für das Werbeverbot Wassili Schestakow, Mandatsträger der Kremlpartei Einiges Russland und vor dem Wechsel in die Politik Kampfsporttrainer.

Widerstand der Fastfood-Lobby

Dazu hat er auch mehrere Bücher geschrieben. Eines davon zusammen mit Kremlchef Wladimir Putin. Nun kämpft Schestakow gegen Salz und Zucker. Eine Liste gefährlicher Produkte soll dem Gesetz als Anhang beigefügt werden. Auf den Index kommt alles, was mehr als 12,5 Gramm Zucker oder 1,5 Gramm Salz pro einhundert Gramm enthält: Schokoriegel, Kartoffelchips, Energy-Drinks, Cola und Co. Gern würde Schestakow auch ein Werbeverbot für bestimmte Wurstsorten durchsetzen. Fjodor Schelischtsch, Präsident eines Verbraucherschützerverbandes, begrüßt das Verbot für schädliche Lebensmittel, rechnet jedoch mit massivem Widerstand der Fastfood-Lobby und der Werbebranche.

Schon nach dem Verbot von Alkohol- und Tabakwerbung brachen den Agenturen die Aufträge weg. Auch die russischen Medien – staatliche ausgenommen – finanzieren sich ausschließlich über Werbung, Fastfood macht dabei mehr als acht Prozent aus. Allein mit Werbeverbot, glaubt Marketing-Fachmann Igor Beresin, lasse sich der Kampf gegen Übergewicht aber nicht gewinnen. Vielmehr hätten sich die Ernährungsgewohnheiten schon zu werbefreien Sowjetzeiten herausgebildet. Andere Experten empfehlen deswegen eine Selbstregulierung der Hersteller. Doch auch das werde das Problem nicht lösen, sagt Beresin. Kunden, die jahrelang systematisch auf Fritten und Limonade getrimmt sind, würden die Burger-Läden nicht mehr besuchen, wenn es nur Salate und Mineralwasser gäbe. Keine der Ketten würde sich daher trauen, den ersten Schritt in die richtige Richtung zu tun.

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