zum Hauptinhalt
Löscharbeiten an dem havarierten Frachter.

© AFP/ANP/FLYING FOCUS

Update

Autofrachter brennt in der Nordsee: Funkverkehr offenbart dramatische letzte Stunden – noch zu früh für Entwarnung

Sollte das Schiff sinken, könnten Schadstoffe ins Meer gelangen - auch in deutsche Gewässer. Die Bergung ist kompliziert, die Lage jedoch stabil. Die Bundesregierung will helfen.

| Update:

Der Autofrachter vor der niederländischen Küste brennt nach Angaben der Küstenwache weniger lichterloh. Auf dem Schiff seien nun keine Flammen mehr zu sehen, sagte eine Sprecherin am Donnerstagabend der Deutschen Presse-Agentur. Für eine Entwarnung sei es aber zu früh. Das Feuer könne auch wieder aufflammen.

Zuvor hatten die Rettungskräfte die Kühlung des Frachters vorerst gestoppt. Die Gefahr sei zu groß, dass zu viel Meerwasser ins Schiff gelange, teilte die Küstenwache mit. Dadurch könne der Frachter „Fremantle Highway“ instabil werden. Löschboote hatten die Seiten des Schiffes mit Seewasser gekühlt. Daran war auch ein deutsches Löschboot beteiligt.

Inzwischen wurde der Frachter an einen anderen Schlepper, die Fairplay 30, gekoppelt. Diese Notverbindung sei stärker als die bisherige. Durch die Verbindung mit einem Schlepper wird das Schiff stabil gehalten und dafür gesorgt, dass es nicht den Schiffsverkehr behindert und zu sehr abdriftet.

Die niederländische Küstenwache wird Autofrachter mit Hilfe des Schleppers drehen. Da die Strömung sich ändere, könne das Schiff wieder kontrolliert Richtung Osten treiben, teilte die Küstenwache am Donnerstagabend mit.

Seit der Nacht zu Mittwoch wütet das Feuer auf dem etwa 200 Meter langen Frachtschiff, das rund 3800 Autos geladen hat. Der Brand könne noch Tage dauern, sagte der Sprecher der Küstenwache. Bergungsexperten warteten nun ab, bis die Temperaturen auf dem Schiff gesunken seien. Der Frachter liege aber stabil, sagte der Sprecher.

Funkverkehr: Möglicherweise explodierte E-Auto auf Frachter

Der Funkverkehr der Rettungskräfte gibt unterdessen Hinweise auf den Ursprung des Feuers. „Das Feuer hat begonnen in der Batterie eines elektrischen Autos“, heißt es im Funkverkehr der Rettungskräfte aus der Nacht zu Mittwoch, nachdem sie Kontakt mit dem Kapitän hatten. Teile des Funkverkehrs veröffentlichte der niederländische TV-Sender Rtl am Donnerstag auf seiner Homepage. „So wie es aussieht, ist auch ein elektrisches Auto explodiert.“ Die Explosion soll aber das Schiff nicht beschädigt haben.

Der Funkverkehr gibt auch einen Eindruck von den dramatischen letzten Stunden an Bord der „Fremantle Highway“: Die 23 Besatzungsmitglieder hätten keine Möglichkeit, zu den Rettungsbooten zu gelangen, sagen die Rettungskräfte. Dabei stiegen die Temperaturen sehr schnell. Gegen 2.15 Uhr soll die Besatzung das Schiff verlassen. Inzwischen sind drei Rettungsboote an der Stelle. Gemeinsam mit der Küstenwache wird vereinbart, dass die Männer von Bord springen sollen - etwa 30 Meter in die Tiefe.

Sieben Menschen springen und werden geborgen, doch viele sind verletzt, zeigt sich auf den Rettungsbooten. „Es ist zu hoch, um zu springen, es gibt zu viele Verletzte.“ Ein Mann überlebt die Evakuierung nicht, er stirbt auf einem Rettungsboot. Die übrigen 16 Besatzungsmitglieder werden später mit zwei Hubschraubern von Bord geholt. Zuvor soll die Crew versucht haben, den Brand selbst zu löschen.

Umweltkatastrophe droht

Wenn Öl und die knapp 3800 Autos an Bord ins Wasser geraten, könnten das unter Schutz stehende Wattenmeer sowie die Küsten verseucht werden. Das wäre auch eine Bedrohung für die deutschen Wattenmeerinseln.

„Der einzigartige Nationalpark Wattenmeer ist ernsthaft in Gefahr“, sagte Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am Donnerstag. „Deutschland wird alles zur Verfügung stellen, was helfen kann.“

Ein ganz normaler Autotransport

Ähnlich äußerte sich Verkehrsminister Volker Wissing. „Wir unterstützen unsere Freunde aus den Niederlanden wo immer nötig bei der Bergung des Frachtschiffs in der Nordsee“, schrieb der FDP-Politiker auf dem Kurznachrichtendienst X, der früher Twitter hieß. „Das Havariekommando ist vorbereitet und wird in enger Abstimmung helfen.“

Ein ganz normaler Autotransport auf dem Seeweg entwickele sich möglicherweise zu einer Umweltkatastrophe ungekannten Ausmaßes, sagte Lemke. „Das erfüllt mich mit tiefer Sorge.“

Die Küstenwache fürchtet, dass das Feuer noch Tage oder sogar Wochen dauern könnte. Direkt Löschen ist nach Angaben der Küstenwache gefährlich. Denn das Löschwasser könnte das Schiff zum Kentern bringen.

Die Lage bei dem seit Stunden brennenden Autofrachter vor der niederländischen Küste ist nach Angaben der Küstenwache stabil.
Die Lage bei dem seit Stunden brennenden Autofrachter vor der niederländischen Küste ist nach Angaben der Küstenwache stabil.

© dpa/JAN SPOELSTRA

Der in Panama registrierte Frachter „Fremantle Highway“ war auf dem Weg von Bremerhaven nach Port Said in Ägypten. Da brach rund 27 Kilometer nördlich der niederländischen Insel Ameland das Feuer an Bord aus. Dabei starb ein Mensch, 22 wurden leicht verletzt.

Der Brand war möglicherweise durch eines der 25 Elektroautos ausgelöst worden, sagte ein Vertreter der Küstenwache dem Rundfunksender NOS. „Wir ziehen alle Szenarios in Betracht“, fügte er hinzu.

Inzwischen hat das 18.500 Tonnen schwere Schiff Schlagseite. Laut NOS gelang es einem Schlepper aber, ein Kabel an dem 18.500 Tonnen schweren Frachtschiff zu befestigen, damit es nicht abdriftet und eine wichtige Schifffahrtsroute nach Deutschland blockiert.

Deutsches Havariekommando beobachtet die Lage

Auch das deutsche Havariekommando mit Sitz in Cuxhaven schließt nicht aus, dass in diesem Fall möglicherweise austretende Schadstoffe deutsches Seegebiet erreichen könnten. „Abhängig von den Wind- und Strömungsverhältnissen zu dem Zeitpunkt der Freisetzung kann nicht ausgeschlossen werden, dass Schadstoffe in Richtung deutscher Gewässer treiben würden,“ hieß es in einer am Mittwochabend verbreiteten Mitteilung.

Die Besatzungsmitglieder wurden zum Teil mit Hubschraubern gerettet. Aus Rotterdam wurden Spezialkräfte eingeflogen, um das Feuer zu löschen.
Die Besatzungsmitglieder wurden zum Teil mit Hubschraubern gerettet. Aus Rotterdam wurden Spezialkräfte eingeflogen, um das Feuer zu löschen.

© dpa/Marco Van Der Caaij

Das Havariekommando beobachte daher die Lage sehr genau. Falls die niederländischen Behörden einen Schadstoffaustritt melden, werde das Havariekommando präventiv die Gesamteinsatzleitung für den deutschen Bereich übernehmen. 

Lithium-Batterien erschweren Löscharbeiten

Vor allem die Lithium-Batterien der E-Autos erschwerten die Löscharbeiten, sagte Granneman, der Sprecher der Küstenwache. Erst kürzlich hatte der Industrieversicherer der Allianz (AGCS) vor erhöhtem Brandrisiko durch den Transport der Lithium-Ionen-Akkus auf Schiffen gewarnt.

Hauptursachen für Brände, die von den Akkus ausgehen, seien Produktionsdefekte, beschädigte Batteriezellen oder Geräte sowie eine Überladung oder Kurzschlüsse, schreibt der Versicherer in seiner neuesten Schifffahrtsstudie.

Die meisten Schiffe verfügen weder über ausreichenden Schutz noch über ausreichende Frühwarn- oder Löschfähigkeiten, um Brände auf hoher See zu bekämpfen.

Justus Heinrich, Schifffahrtsexperte

Sie seien tückisch, weil sie schwer zu löschen seien und sich spontan wiederentzünden könnten. Außerdem können beim Kontakt der Batterien mit Wasser Säuren entstehen. Diese würden das Ökosystem gefährden - zusätzlich zu möglicherweise austretenden Schwermetallen.

„Die meisten Schiffe verfügen weder über ausreichenden Schutz noch über ausreichende Frühwarn- oder Löschfähigkeiten, um solche Brände auf hoher See zu bekämpfen“, sagte der Schifffahrtsexperte Justus Heinrich.

Bürgermeister sorgen sich um Umwelt

Umweltorganisationen und auch Bürgermeister umliegender Gebiete zeigten sich besorgt über mögliche Schäden durch Öl oder Müll. „Das könnte eine Umweltkatastrophe für die Nordsee und das Wattenmeer bedeuten“, warnte ein Sprecher der Stiftung De Noordzee am Mittwoch.

Jürgen Akkermann, Bürgermeister der Stadt Borkum, steht im Rathaus.
Jürgen Akkermann, Bürgermeister der Stadt Borkum, steht im Rathaus.

© dpa/Sina Schuldt

Das Schlimmste wäre, dass das Schiff sinkt und unkontrolliert Schadstoffe in das Meer gespült werden.“

Jürgen Akkermann, Bürgermeister von Borkum

Ein Untergang des brennenden Autofrachters könnte aus Sicht des Bürgermeisters der deutschen Nordseeinsel Borkum schwere Umweltschäden zur Folge haben. „Das Schlimmste wäre, dass das Schiff sinkt und unkontrolliert Schadstoffe in das Meer gespült werden“, sagte Jürgen Akkermann (parteilos) der Deutschen Presse-Agentur.

Einige denken nun auch zurück an die Katastrophe des Containerschiffs MSC Zoe 2019.

Damals hatte das Schiff in der stürmischen Nordsee auf der Fahrt nach Bremerhaven 342 Container verloren. Die meisten zerbarsten beim Aufprall auf dem Wasser, in der Folge trieb tonnenweise Müll an die Strände. (AFP, dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false