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Panorama: Ganz schön schlau

Bei den Miss-World-Wahlen versuchen die Veranstalter, das Image des Schönheitswettbewerbs zu korrigieren

Mehr Schein als Sein: Mit dem traditionellen Tinnef und Talmi ging die Show um die „Miss World“ trotz der tragischen Begleitumstände in London über die Bühne. „Es wäre schön, wenn sich die Menschen mehr gegenseitig achten würden,“ girrte die 21-jährige Türkin Azra Akin nach ihrer Wahl zur schönsten Frau der Welt ins Mikrofon. Sie spielte dabei auf Nigeria an, wo das Spektakel ursprünglich stattfinden sollte. Dort löste die „MissWahl“ mörderische Straßenkämpfe zwischen den muslimischen und christlichen Bevölkerungsgruppen im Norden aus, bei denen 220 Menschen umkamen.

Auch in London war die Veranstaltung „nicht willkommen“, wie das Stadtoberhaupt Ken Livingstone ausdrücklich erklärte. Britische Frauenrechtlerinnen protestierten schon lange gegen das 1951 von ihrem Landsmann Eric Morley erfundene Spektakel. Freilich gab der diesjährige Auftritt der 92 Landessiegerinnen keine Gelegenheit, festzustellen, ob aus ihren „Badeanzügen Blut trieft," wie die Feministin Muriel Gray die Wahl verdammte. Die Frauen tänzelten zu südamerikanischen Rhythmen im Abendkleid auf die Bühne. Was darunter steckte, konnten die Voyeure im ausverkauften Alexandra Palace nur durch Video-Einspielungen erahnen, in denen die Bewerberin im Bikini an einem afrikanischen Wasserfall plätscherten. Um dem Klischee „schön aber dämlich" den Stachel zu nehmen, pries der amerikanische Seifenoperstar Sean Kanan als Conferencier die Geistesgaben seiner Gäste. Tatsächlich praktiziert „Miss Schottland“ als Ärztin an einem Krankenhaus und „Miss Indien“ ist Dozentin für Soziologie. Auch die Landessiegerinnen, die wegen ihrer jungen Jahre noch keine Karriere in einem bürgerlichen Beruf haben, zeigten große Ambitionen. „Miss Nigeria" will „eine erfolgreiche Computer-Wissenschaftlerin und ein Supermodell werden und eine Hilfsorganisation für Kinder gründen, die Mädchen in aller Welt unterstützt.“ Die türkische Siegerin, deren Eltern in den Niederlanden leben, entspricht jedoch mehr den Konventionen. Azra Akin spielt Flöte und liebt Ballett und Bauchtanz. Ihr Sieg wurde in der Türkei mit großer Begeisterung begrüßt: „Als Türkin schwillt mir vor Stolz die Brust“, gratulierte Tourismusministerin Güldal Aksit, einzige Frau in der neuen islamisch-konservativen Regierung in Ankara. „Ihr erster Platz trägt den Namen unseres Landes einmal mehr in alle Welt.“

Auf Platz zwei und drei kamen die Bewerberinnen aus Kolumbien und Peru. Das Feld war dieses Jahr etwas kleiner, da zehn Landessiegerinnen, angeführt von „Miss Dänemark“, ihre Kandidatur aus Protest gegen die barbarischen Urteile muslimischer „Scharia“-Richter über Frauen in Nigeria zurückzogen. Mit einer Schweigeminute wurde bei der Wahl an das Schicksal von Amina Lawal erinnert. Weil sie unehelich ein Kind gebar, soll sie zu Tode gesteinigt werden, wenn ihr Baby nicht mehr gestillt werden muss. Alle Besucher der Gala wurden sorgsam mit Sonden geprüft. Zu den befürchteten Demonstrationen von Frauenrechtlerinnen und muslimischen Gruppen kam es nicht. Neben der politischen Kontroverse überschattete auch ein Finanzskandal die „Miss-World“-Wahl. Eine nigerianische Mitveranstalterin leitete eine Schadenersatzklage in Höhe von einer halben Million Pfund gegen die Veranstalter ein. Diese Summe hätte sie für ein Londoner Gala-Dinner vorgestreckt, dass letzten Monat für die Miss-World-Wahlen in Nigeria warb. Doch Prinz Philip und andere prominente Gäste entschuldigten sich und das Ganze wurde eine finanzielle Pleite.

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