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Macht Front gegen die Schwulen. Carl Paladino, Kandidat der Republikaner für das Amt des Gouverneurs von New York. Es sind völlig neue Töne in einem der liberalsten Bundesstaaten der USA. Fotos: Reuters, Getty Images/AFP

© Reuters

USA: Hass auf Schwule in New York

Das rechte Amerika ist wütend – und sucht Opfer. Die Frontstadt ist ausgerechnet New York.

Sie sind verzweifelt, sie sind wütend, sie sind rasend, sie sind frustriert und aufgeladen. Die rechtskonservativen Bürger Amerikas begehren auf. Es ist ein Aufstand gegen die eigenen Eliten in der Republikanischen Partei, deren Kandidaten in manchen Teilen des Landes von der rechtskonservativen Tea-Party-Bewegung weggefegt wurden. Es ist auch und vor allem ein Aufstand gegen den Präsidenten. Und ein Aufstand gegen eine vermeintliche Meinungsführerschaft des Liberalen und des politisch Korrekten. Der kommende Dienstag, der große Wahltag in den USA, wird für sie der Tag der Abrechnung werden.

Sie wollen Opfer. Niemand hätte dabei noch vor einem Jahr gedacht, dass im Land der großen Emanzipationsbewegungen plötzlich die Schwulen ins Visier geraten. Wenn es eine einst diskriminierte Gruppe gab, die in den vergangenen Jahrzehnten in allen gesellschaftlichen Bereichen bis in höchste Etagen akzeptiert und selbstverständlich angenommen wurde, dann sind das die Schwulen.

Aber unter der Oberfläche hat sich etwas gedreht in der öffentlichen Stimmung. In den letzten Wochen ist die Zahl der Übergriffe dramatisch angestiegen. Und das nicht im konservativen Süden, sondern im liberalen Nordosten des Landes. Großes Aufsehen erregte der Fall eines 18-jährigen Studenten der Rutgers University in New Jersey. Er nahm sich das Leben, nachdem ein Kommilitone ihn als schwul geoutet hatte. Das Opfer fühlte sich von einer zutiefst feindseligen Stimmung umgeben.

Acht Mitglieder einer Straßengang in der New Yorker Bronx quälten und folterten einen 30-Jährigen, von dem sich herumgesprochen hatte, dass er schwul sei.

Selbst im Greenwich Village, dem Epizentrum der Schwulenbewegung von New York, kam es unweit der berühmten Christopher Street jüngst zu Angriffen und Beschimpfungen von Schwulen.

Seit den 70er Jahren konnte es sich kein New Yorker Bürgermeister leisten, nicht an der jährlichen Schwulenparade in vorderster Linie teilzunehmen.

Umso schockierender wurden Äußerungen des republikanischen Kandidaten für New Yorks Gouverneursamt, Carl Paladino, aufgenommen. Paladino erklärte jüngst bei einem Auftritt vor gewogenem Publikum, man müsse aufhören, Kindern per Gehirnwäsche einzubläuen, dass Homosexualität eine akzeptable und erfolgreiche Lebensweise sei. Er griff seinen demokratischen Gegenkandidaten Andrew Cuomo für dessen Teilnahme an der Gay Pride Parade an. Da sehe man Männer in Tangas, wetterte Paladino. Das sei „keine schöne Sache“ und dürfe nicht in der Öffentlichkeit und nicht vor den Augen von Kindern stattfinden.

Bei seinen öffentlichen Auftritten seither wird Paladino regelmäßig von schwulen und lesbischen Aktivisten lautstark ausgebuht. Vor dem Hintergrund breiter Kritik nahm er seine harschen Worte zurück – was Konservative kritisieren. Diese hatten ironischerweise zuvor kein Problem damit gehabt, dass ihr rechter Kandidat trotz all seiner christlich-moralischen Werte eine uneheliche Tochter mit einer Mitarbeiterin hat, mit der er seine Frau betrogen hat.

Wenn die Republikaner am Dienstag viele Sitze in beiden Häusern des Kongresses gewinnen, liegt das nicht nur an der Frustration der Bevölkerung wegen der Wirtschaftskrise, sondern auch an der Wut derer, die den Glauben an „ihr Amerika“ verloren haben – ein Amerika der konservativen Werte.

In der zunehmenden tätlichen und verbalen Verfolgung von Schwulen spiegelt sich die Heuchelei Amerikas wider, das sich als „Land of the Free“ feiert, und gleichzeitig Andersdenkende verfolgt. Das Tragische daran ist die Tatsache, dass ausgerechnet die Wahl von Barack Obama, der das Land aus seiner konservativen Starre führen sollte, diese starke Gegenbewegung ausgelöst hat. Das geht einher mit der Enttäuschung seiner Anhänger, die sich von ihm Wunder erhofft haben. Aber Wunder gibt es keine. Dies nicht wahrhaben zu wollen, das ist das Einzige, was Rechte und Linke verbindet.

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