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Wo zu viel Ehrgeiz im Spiel ist, kann die Hochzeit gründlich schiefgehen.

© dpa

Hochzeit: Die gierige Braut und das Problem der Geschenke

Elisabeth Binder macht sich Gedanken über die Meldung von der gierigen Braut in den USA und wirft einige Fragen auf. Zum Beispiel, was Geschenke für die Hochzeit bedeuten und wie groß und wie klein sie sein dürfen.

Diesen zugegeben altmodischen Spruch kannte die amerikanische Braut, die sich was traut, offenbar nicht: „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“. Sie hatte, wie bereits kurz berichtet, einem vermeintlich geizigen Gästepärchen eine gepfefferte Mail geschrieben und damit eine erregte Diskussion im Internet ausgelöst, weil die Adressatin die Mail an die "Huffington Post" weiterleitete. Das Gästepaar gab zu zweit 100 Dollar als Hochzeitsgeschenk. Allein die Feier habe aber pro Person schon 200 Dollar gekostet, rechnete die enttäuschte Braut den eher entfernten Bekannten vor. Sie und ihr frisch angetrauter Mann hätten die allergrößte Mühe, das abzubezahlen. Und stieß mit diesem fragwürdigen Appell, das Hochzeitsgeschenk aufzustocken, nur sehr vereinzelt auf Verständnis. „Bridezilla“ werden die schrecklichen Bräute genannt, die denken, ihr eigener schönster Tag im Leben berechtige sie dazu, andere zu drangsalieren. Das Gegenteil sollte der Fall sein.

Geldgeschenke werden bei Hochzeiten immer häufiger

Mit der Hochzeit markiert man schließlich den Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Man möchte möglichst alle dabeihaben, die einen bislang begleitet haben, Familie und Freunde, Verwandte und Kollegen. Idealerweise lädt man ein, ohne überhaupt etwas zu erwarten außer der Anwesenheit und guten Wünschen. Tatsächlich gibt es meist Hochzeitslisten, mit deren Hilfe die Gäste Wünsche des Paares erfüllen. Das ist praktisch und hilft Dopplungen zu vermeiden. Geldgeschenke sind noch praktischer, aber natürlich kein bisschen romantisch. Trotzdem kommen sie immer häufiger vor, wie auch die Bitte um solche.

In manchen Gesellschaften ist es eine Frage der Ehre, sich zu ruinieren, um der Tochter ein üppiges Hochzeitsfest auszurichten. Da sind die westlichen Gesellschaften glücklicherweise schon deutlich weiter. Wer über seine Verhältnisse heiratet, ist selber schuld.

Freilich hört man in den letzten Jahren immer wieder Klagen von geladenen Gästen über die Kosten, die ihnen selbst durch die Teilnahme an einer Hochzeit entstehen. Es reicht längst nicht mehr aus, im Porzellanladen eine Suppenschüssel zu erstehen, und die dann schön mit Schleife verziert mit zum Fest zu bringen. Manche Hochzeitssausen dauern drei Tage, die Übernachtungen im romantischen Schlosshotel fallen dabei ebenso zu Buche wie die Ausgaben, die entstehen, um dem Dresscode „Für uns soll’s rote Rosen regnen“ zu entsprechen. In dem Alter, in dem man normalerweise zur Hochzeit von Freunden geladen wird, sind solche extravaganten Ausflüge meist nur mit Mühe zu finanzieren.

Die amerikanische Braut wollte die beiden Gäste offenbar dabei haben, weil sie jung und hip sind. Was in der Regel kein Synonym für finanzstark ist. Die Universitätsabsolventen drücken noch Schulden von den Studiengebühren.

Zu viel Ehrgeiz, Angeberei und finanzieller Druck kann eine Hochzeit ruinieren

Am besten macht man ein Fest, das ganz realistisch von den eigenen Möglichkeiten und denen der Gäste ausgeht. So haben alle unbeschwert Freude an der Sache und später keinen Grund zu Reue. Wenn das Budget nur für 50 Gäste reicht, dann soll man es dabei auch belassen. Ein feines Schlosshotel ist noch kein Garant für eine lustige, ausgelassene Stimmung. Das Ambiente einer schlichten, aber sympathischen Pizzeria, in der ein Akkordeonspieler zum Tanz aufspielt, kann auch unvergessliche Momente hervorbringen. Angeberei oder finanzieller Druck dagegen wetteifern darum, wer der bessere Stimmungskiller ist. Je wohler sich alle fühlen, desto gelungener wird am Ende das Fest sein.

Fühlt sich jemand verpflichtet, bei Spendengeschenken auf die Trommel zu hauen und mit Magengrimmen und unter Verzicht auf einen lang ersehnten Kurzurlaub 500 Dollar zu spenden, wird er dem Brautpaar seine guten Wünsche bestimmt nicht mit aufrichtigem Herzen hinterherschicken. Wer aber kann schon ermessen, wie wichtig diese Wünsche sind im Vergleich zur Endsumme. Wo übertriebener Ehrgeiz im Spiel ist, Angeberei oder aufseiten des Brautpaares auch nackte Gier, leidet die Aura der ganzen Veranstaltung. Da wird das eigentlich erfreuliche Ereignis leicht zur Albtraumhochzeit.

Am besten freut man sich über den Fünf-Euro-Schein der kleinen Nichte genauso, wie über die 1000 Euro, die der gut verdienende Onkel rüberschiebt. Für den Onkel ist der Beitrag vielleicht sogar ein geringeres Opfer als für das kleine Mädchen, das auf Süßigkeiten verzichtet hat. Das anzuerkennen und wertzuschätzen, sollte die vornehmste Pflicht des Brautpaares sein.

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Die enttäuschte amerikanische Braut hätte Inspiration in der Bibel finden können, wo ein König enttäuscht war, weil die von ihm geladenen Gäste nicht zur Hochzeit seines Sohnes kommen wollten. Der weist seine Knechte dann an, auf die Straßen zu gehen und zur Hochzeit zu laden, wen sie finden. Ein solches Vorgehen wäre möglicherweise nötig gewesen, wenn sie ganz pragmatisch gleich in die Offensive gegangen wäre. „Wir wünschen uns eine Traumhochzeit und entsprechende Flitterwochen. Wenn ihr uns das ermöglichen wollt, seid ihr herzlich eingeladen gegen einen Mindestbeitrag von 250 Dollar dabei zu sein.“ Das mag nicht sympathisch und für manche auch abschreckend klingen, aber es ist wenigstens ehrlich, und sicher hätten sich auch nicht alle Gäste in die Flucht schlagen lassen. Wie viel Segen auf einer so begonnen Verbindung liegt, sei dahingestellt.

Es steht durchaus zu befürchten, dass die Mindesthaltbarkeit einer Ehe sinkt, je höher der Berechnungsfaktor des Brautpaares bei der Eheschließung ist. Prominente, die ihre Hochzeiten teuer an Boulevard-Magazine verkauft haben, sind selten bis an ihr Lebensende gemeinsam glücklich gewesen.

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