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Nach der umstrittenen Werbekampagne wurden H&M-Filialen in Südafrika gestürmt und verwüstet.

© Imago/Gallo Images

H&M-Skandal: Nachhilfe von Bürgerrechtlern

Der Konzern H&M zeigt sich nach dem weltweiten Werbeskandal um einen Kapuzenpullover lernwillig.

„Der coolste Affe im Dschungel“ – mit dieser Aufschrift auf einem Kapuzenpullover, getragen von einem schwarzen Jungen, sorgte H&M weltweit für Schlagzeilen. Nach mehrfachen Entschuldigungen für die missglückte Kampagne will der Konzern jetzt noch einen Schritt weitergehen: Freiwillig will H&M Nachhilfe von südafrikanischen Bürgerrechtlern in Anspruch nehmen, wie der Landesdirektor des Unternehmens Pär Darj mitteilte: „Unsere lokalen Mitarbeiter werden sich einem Training unterziehen. Zudem will unser Marketingteam aus Schweden mit schwarzen Agenturen vor Ort kooperieren, um ein tieferes Verständnis für sozialverantwortliche Werbung zu erhalten.“

Unter anderem will H&M künftig mit dem Südafrikanischen Anti-Rassismus-Netzwerk (Arnsa) zusammenarbeiten: Der Dachverband, gegründet von der Nelson-Mandela-Stiftung, vereint mehrere Organisationen, die in Südafrikas gespaltener Gesellschaft gezielt gegen Rassismus und Diskriminierung eintreten.

Die Behörden wollen verstärkt auf Diskriminierung achten

„Die Verantwortlichen haben sich entschuldigt. Aber wir verlangen konkrete Schritte, damit solche Vorfälle nie wieder passieren“, so Tseliso Thipanyane, Vorstand der Südafrikanischen Menschenrechtskommission (SAHRC). Der Werbeskandal soll nicht nur für H&M Konsequenzen haben: In Zukunft wollen Südafrikas Behörden verstärkt den Privatsektor im Auge behalten und darauf achten, dass der Kommerz im Rahmen der strikten Anti-Diskriminierungs-Gesetze des Vielvölkerstaats stattfindet.

Die Südafrikaner fühlten sich an ihre rassistische Vergangenheit erinnert. „Bobbejaan“ (Pavian) wurden schwarze Südafrikaner während der Apartheid bis 1994 von den Weißen nicht selten genannt – halb lachend, halb verachtend. Entsprechend groß war die Wut auf das europäische Modehaus: In etlichen Teilen des Landes war es zu gewalttätigen Protesten in und vor den Läden von H&M gekommen. Einige blieben danach tagelang geschlossen, andere heuerten zusätzliches Sicherheitspersonal an. Bei einem der Proteste in Johannesburg setzte die Polizei Tränengas ein, um die Protestierer zu vertreiben. Letzte Woche demonstrierten erneut 70 Anhänger der linksradikalen Partei „Wirtschaftliche Freiheitskämpfer“ (EFF) vor einem H&M-Shop in Durban. Ihre Plakate forderten unter anderem: „Rassisten, geht zurück nach Europa!“

H&M zeigte sofort Reue, steht aber trotzdem am Pranger

Der Anführer der EFF, Julius Malema, bezeichnete die Demonstrationen später als „friedlich“: Weder habe es Verletzte gegeben noch sei es zu Plünderungen gekommen. Die Partei wirft H&M vor, keine Konsequenzen aus dem jüngsten Werbeskandal gezogen zu haben. Tatsächlich zeigte der Konzern sofort nach dem Aufwallen der weltweiten Empörung Reue. „Wir sind überzeugt, dass Rassismus und Vorurteil in jeglicher Form, ob beabsichtigt oder versehentlich, einfach inakzeptabel sind und keinen Platz in unserer Gesellschaft haben“, erklärte das Unternehmen.

1994 endete in Südafrika mit der Wahl Nelson Mandelas zum ersten schwarzen Präsidenten die Herrschaft des weißen Minderheitsregimes. Südafrika bekam eine der progressivsten Verfassungen weltweit. Allerdings: 24 Jahre nach der demokratischen Dämmerung hinkt die Realität hinterher. Im Alltag haben sich schwarze und weiße Südafrikaner gut miteinander arrangiert. Jedoch kam es zuletzt immer wieder zu rassistischen Vorfällen, die offenbarten, wie zerbrechlich das Volksgruppen-Mosaik nach wie vor ist. Vergangenen Oktober etwa zogen Zehntausende Menschen durch die Städte, um gegen eine Mordwelle auf den Farmen des Landes zu protestieren. Das Thema polarisiert schon länger. Entsprechend kochte die Stimmung über, als einige Demonstranten die Flagge des alten Apartheid-Regimes schwenkten. „Ich fühlte mich sicherer unter dieser Fahne“, erklärte eine weiße Südafrikanerin. Kunst- und Kulturminister Nathi Mthethwa verurteilte den „öffentlichen Rassismus“.

Die Rassismus-Debatte wird auch in Kleinstädten erbittert geführt

Auch in Vereeniging waren die rassistischen Untertöne am Donnerstag kaum zu überhören. In der Kleinstadt südlich von Johannesburg hatte eine afrikaanssprachige Schule sich geweigert, 55 englischsprachige Schüler aufzunehmen. Seitdem ist der sonst ruhige Ort Schauplatz gewalttätiger Proteste. Eltern, Lehrer, Gewerkschafter sowie Aktivisten der EFF und des regierenden ANC fordern die Öffnung der Schule für alle Volksgruppen – vor allem für die schwarzen, weniger privilegierten Schüler des Dorfes.

Zumindest H&M ist unterdessen um Schadensbegrenzung bemüht. In einem Versuch, den angeschlagenen Ruf zu reparieren, kündigte H&M zusätzlich zum Sensibilisierungstraining jetzt an, in Zukunft mit südafrikanischen Designern zusammenarbeiten zu wollen. Dieses Jahr sollen 300 Jobs durch die Eröffnung von sechs neuen Niederlassungen in Südafrika geschaffen werden, berichten lokale Medien.

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