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Panorama: In der Wüste schneit’s

Wintereinbruch – und ganz Jordanien steht still

Die Orangenbäume biegen sich unter der zentimeterhohen Schneelast. Die aus Holz und Bastmatten errichteten Garagen der Nachbarn sind unter den Schneemassen bereits eingestürzt. Fahren würde mit den Wagen am Dienstag sowieso niemand: Denn in der jordanischen Hauptstadt Amman sind seit der Nacht zwischen 30 und 60 Zentimeter Schnee gefallen und es schneit immer weiter. Dies bedeutet in der Stadt, die auf vielen Hügeln und fast 1000 Meter hoch liegt und entsprechend steil ansteigend und abfallen Straßen hat, Ausnahmezustand. Alle Schulen sind geschlossen, ebenso wie die Geschäfte, kein Angestellter geht zur Arbeit. Denn Winterreifen oder Schneeketten sind hier unbekannt und der staatliche Dienst zur Zivilverteidigung versucht mit seinen 20 Fahrzeugen gerade mal, einige Hauptverkehrsadern der Zwei-Millionen-Stadt freizuschaufeln. Ansonsten sind auf den Straßen nur einzelne Jugendliche zu sehen, die eine Schneeballschlacht machen. Die meisten Bewohner von Amman blieben am Dienstag in ihren Häusern eingeschlossen.

Das staatliche Fernsehen zeigt Live-Bilder vom Schneetreiben, Satellitenprogramme sind nicht mehr zu empfangen, es sei denn man schippte ständig seine Satellitenschüssel frei. Die Mitarbeiterin der Nachrichtenagentur AFP ist eine der wenigen, die es ins Büros geschafft hat. Dank ihres prominenten Nachbarn: Die Straße von der Residenz des israelischen Botschafters bis zur Hauptstraße wurde vom Räumdienst freigemacht. Die letzten 500 Meter bis zum Büro musste sie laufen, weil die Straße zu steil abfällt. Im Büro musste sie dann erst einmal auf dem Dach den Schnee von den Sendeanlagen fegen. Doch nach knapp vier Stunden war sie bereits wieder auf dem Heimweg: Der Wetterdienst sagt noch stärkeren Schneefall im Laufe des Nachmittags und der Nacht an.

Begonnen hatte die Aufregung bereits am Montag, als erste Schneeflocken fielen. Sofort verließen alle Jordanier fluchtartig die Büros, Cafes und Geschäfte, um noch rechtzeitig nach Hause zu kommen. Auf den Straßen gab es lange Staus, vor den Bäckereien herrsche besonderes Chaos, weil alle mitten auf der Straße hielten, um noch Brot für die nächsten Tage einzukaufen. Vor mehr als zehn Jahren soll es einmal wochenlang geschneit haben, bis die Armee schließlich mit Panzern Brot ausfuhr. Doch diesmal sind die Menschen besser vorbereitet: Wegen des drohenden Irak-Krieges haben viele die Öltanks voll gefüllt, um sich für den Fall zu wappnen, dass die irakischen Lieferungen ausfallen.

„Dies ist eine Art Übung für den Ernstfall des Krieges", meint ein französischer Ingenieur. So ist auch der Flugverkehr unterbrochen, kein Flugzeug kann auf dem internationalen Queen-Alia-Flughafen landen oder starten. Doch Erziehungsministerin Khaled Tuqan, die per Radio die Schließung bis auf weiteres aller Schulen und Universitäten in Amman und im Norden des Landes verkündete, gewinnt dem Stillstand des Lebens etwas Positives ab: Der Schneefall sei ein „Segen“ für ein so wasserarmes Land wie Jordanien.

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