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Massensterben in Australien - 200 Wale und Delfine gestrandet

© dpa

Wale: In die Irre geleitet

Fehler bei der Orientierung, fatales Gruppenverhalten und Lärm unter Wasser – warum Wale stranden.

Völlig hilflos liegen die Wale am Strand, schlagen verzweifelt mit ihren Fluken. Ohne Wasser unter dem Bauch aber hilft diese Bewegung wenig, zu sehr ist der Körper an das Schwimmen im Wasser angepasst. Sobald ein Wal den Boden berührt, sitzt er in einer Falle, aus der er kaum wieder entrinnen kann. Kommt die Ebbe, liegt das Tier bald auf dem Trockenen. Der Wal droht unter seinem eigenen Gewicht zerquetscht zu werden, die Sonne trocknet die Haut aus, die normalerweise von kühlendem Wasser umgeben ist. Ohne Helfer sind die Tiere verloren.

Als am Montag 194 Grindwale auf der King-Insel in Australien strandeten, hatten zumindest 54 von ihnen daher Glück im Unglück. Die Einwohner bildeten rasch eine Menschenkette und reichten Wassereimer zu den Walen, um die empfindliche Haut feuchtzuhalten. Mit Bettlaken und Handtüchern schützten sie die Tiere vor der Sonne. Als dann die Flut kam, packten größere Menschengruppen bei den tonnenschweren Tieren an, zerrten und schoben sie ins tiefere Wasser. Immerhin 54 Grindwale konnten so gerettet werden, die anderen Tiere waren bereits am Strand verendet.

Ob die Grindwale auf Dauer gerettet sind, bleibt aber zweifelhaft. Denn diese Zahnwale sind es gewohnt, in großen Gruppen zu jagen und bleiben daher fast immer zusammen. Als Schüler ein Grindwalbaby endlich ins Wasser bugsiert hatten, schwamm es daher sofort an den Strand zum Rest der Gruppe zurück. Auch der zweite Rettungsversuch führte zum gleichen Ergebnis, der kleine Wal wollte nicht allein im Wasser bleiben.

„Dieses Gruppenverhalten ist typisch, Grindwale bleiben immer zusammen“, erklärt die Meeresbiologin Petra Deimer von der Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere in Quickborn. Gerade an Sandstränden aber kann dieses Verhalten fatal enden. Weil die Sicht im Wasser fast immer erheblich schlechter als in der Luft ist, orientieren sich die Tiere mit einer raffinierten Echo-Ortung. Sie erzeugen ein lautes Klicken, das von Gegenständen im Wasser reflektiert wird. Aus der Zeit zwischen Klicken und Rückkehr des Echos ermitteln die Tiere völlig unbewusst die Entfernung. Mit dieser Echo-Ortung nehmen Zahnwale ihre Umgebung ähnlich gut wahr, wie das Auge einem Menschen ein Bild seiner Umgebung liefert.Unter Wasser spüren die Grindwale so hervorragend Fischschwärme auf. „Im flachen Wasser mit sandigem Grund aber liefert diese Echo-Ortung kein sauberes Bild“, erklärt Deimer. Ähnlich geht es einem Menschen, dessen Augen im Schneesturm ein unscharfes Bild liefern und der sich dann verirrt. Bei den Grindwalen aber genügt es, wenn ein Wal sich aufgrund dieser mangelhaften Wahrnehmung verirrt und plötzlich auf den Strand zuschwimmt. „Der Rest der Gruppe kommt dann meist hinterher und liegt dann ebenso hilflos im flachen Wasser fest“, sagt Deimer.

Ähnlich kann es auch Pottwalen gehen. Diese bis zu 18 Meter langen Tiere orientieren sich ebenfalls mit einer Echo-Ortung. Dabei stoßen sie vor allem Laute mit geringen Frequenzen und großen Wellenlängen aus. „Im flachen Wasser aber können sie sich damit nicht so gut orientieren“, erklärt der Walforscher Sven Koschinski. Für den Pottwal ist das normalerweise kein Problem, weil er ausschließlich im tiefen Wasser jagt. Allerdings wandern Pottwale auch zwischen den Polarmeeren und wärmeren Gewässern weit umher. Kommen sie in die Nähe der Westküste Skandinaviens, finden sie dort eine breite Rinne tiefen Wassers, die sich Richtung Nordsee zieht. Dort könnte ein Tier auf der Suche nach Beute also leicht „falsch abbiegen“ und so in die Nordsee mit ihrem flachen Wasser gelangen. „Ist der Meeresgrund aber nur wenig geneigt, zeigt ihre Echo-Ortung den Pottwalen oft nicht mehr, wo es aufwärts und wo es abwärts geht“, erläutert Koschinski. Das könnte der Grund sein, warum die Tiere immer weiter nach Süden Richtung Deutsche Bucht schwimmen. Insgesamt sind seit den 90er Jahren mehr als 80 Pottwale an der Nordseeküste gestrandet.

„Bei manchen Walstrandungen aber könnte auch der Mensch seine Finger im Spiel haben“, meint Deimer. Längst sind die Weltmeere keine Idylle der Ruhe mehr, vielerorts donnern die Sonargeräte der Marineschiffe mit furchtbarer Lautstärke durch das Wasser. Auch für Vermessungen schießen Schiffe Druckluftkanonen ab, die an der Quelle die unverstellbare Lautstärke von 230 Dezibel erreichen. „Eine solche Lautstärke ist für viele Wale wohl völlig unbekannt und löst Panikreaktionen aus“, vermutet Koschinski. „In der Nordsee fliehen Schweinswale vor den Rammgeräuschen beim Errichten der Fundamente von Windparks noch in einer Entfernung von zwanzig Kilometern.“ Ähnlich gehen nicht nur diese Wale wohl auch Schiffsantrieben aus dem Weg, die ebenfalls laut genug sind, um die empfindliche Echo-Ortung erheblich zu stören. Bei dieser Flucht vor dem Lärm können die Meeressäuger leicht in flaches Wasser geraten und stranden. Dann sind sie auf rasche Hilfe angewiesen.

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