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Panorama: Kinderehe: Wahre Liebe oder Scheinehe?

Ist es die große Liebe eines ungleichen Paares, der die deutschen Behörden bürokratische Steine in den Weg legen? Oder soll hier nur eine Scheinehe angebahnt werden, von der sich der Bräutigam etwas Geld und die Braut eine Aufenthaltsgenehmigung verspricht?

Ist es die große Liebe eines ungleichen Paares, der die deutschen Behörden bürokratische Steine in den Weg legen? Oder soll hier nur eine Scheinehe angebahnt werden, von der sich der Bräutigam etwas Geld und die Braut eine Aufenthaltsgenehmigung verspricht?

"Es ist wahre Liebe", beteuert der 33-jährige Deutsche Ralf G. aus Koblenz über sein Verhältnis zu der 14-jährigen Türkin Didem T., dem das Standesamt Koblenz den behördlichen Segen verweigert. Die türkische Gemeinde in Koblenz sieht den ganzen Vorgang etwas skeptischer: Didems Onkel Mehmet T. sei ortsbekannt für seine ständigen Versuche, seine Nichten in Deutschland an den Mann zu bringen, heißt es bei den ansässigen Türken.

Erschwert wird die Wahrheitsfindung in dem Drama um eine Eheschließung in Deutschland dadurch, dass örtliche Behörden und Medien offenbar kaum Kontakt zum türkischen Milieu der Stadt haben. Mit Ausnahme des Standesamtes vertrauten sich jedenfalls alle Beteiligten nur den Reportern der türkischen Zeitung "Hürriyet" an, die seit Tagen exklusiv über die Ereignisse in Koblenz berichtet.

Der Fall hat großes Aufsehen erregt. Eine Initiative gegen Frauenhandel hatte im Vorfeld der standesamtlichen Entscheidung auf den Fall aufmerksam gemacht.

"Ich fühle mich reif für die Ehe", sagte die 14-Jährige. "Wir verstehen nicht, warum uns Deutschland dieses Hindernis in den Weg legt", klagte Didem T. den "Hürriyet"-Reportern ihr Leid, als das Koblenzer Standesamt sie für zu jung zur Heirat erklärte. Zwar liegt das Mindestheiratsalter in Deutschland bei 16 Jahren und in der Türkei bei 15 Jahren, doch Didem hatte eine Ausnahmegenehmigung vom Amtsgericht ihrer türkischen Heimatstadt erhalten, das ihr die Ehereife bescheinigte und die Erlaubnis zur Heirat schon mit 14 Jahren erteilte.

Bei gemischten Ehen gelten für den ausländischen Partner in Deutschland die Gesetze seines Heimatstaates, so dass der Heirat mit Ralf G. nichts mehr im Wege zu stehen schien.

Doch das Koblenzer Standesamt stellte sich quer und zitierte eine andere Gesetzesvorschrift: Danach ist die Rechtsnorm eines anderen Staates "nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist". Und sogenannte "Kinderehen" sind in Deutschland klar verboten.

Das Mädchen zeigt sich empört

Didem T. zeigte sich empört über diese Entscheidung und warf den deutschen Behörden in "Hürriyet" vor, sie schikaniert zu haben. Von den meisten Koblenzer Türken wird diese Empörung allerdings nicht geteilt - im Gegenteil: Mehmet T. habe schon mehrfach Nichten aus der Türkei geholt und in Deutschland verheiratet, erzählten ortsansässige Türken den Reportern von "Hürriyet".

"Das hat Mehmet schon öfter getan", zitiert das Blatt einen Koblenzer Türken. "Er vermittelt sie entweder an die Söhne hier ansässiger türkischer Familien oder findet einen jungen Deutschen für sie." Eine Kusine von Didem habe Mehmet T. schon vor drei Jahren nach Deutschland geholt und mit 15 Jahren an einen Deutschen verheiratet. Didem habe er vergeblich mehreren türkischen Familien in Koblenz und Aachen als Schwiegertochter angeboten, bevor er sich den deutschen Bräutigam suchte, der womöglich für die Scheinehe bezahlt werden solle.

Besonders verwerflich findet das der türkische Bekanntenkreis des Schneiders Mehmet T. in Koblenz allerdings auch wieder nicht, denn in der Türkei ist es noch durchaus üblich, dass Ehen von Verwandten vermittelt werden.

Bei der Auswahl des Bräutigams geht es den Brauteltern meist weniger um die Zuneigung der künftigen Ehepartner, sondern vor allem um handfeste gesellschaftliche Vorteile für die Familie: Vermögen, Status und Prestige.

Und um den Bund möglichst fest zu zurren, werden die Mädchen vor allem auf dem Lande oft verheiratet, kaum dass sie die Pubertät erreicht haben. Die Gesetzeslage kümmert sie dabei wenig, denn auf die standesamtliche Trauung wird auf dem Lande oft sowieso verzichtet. Wer unbedingt den behördlichen Segen für die Ehe haben will, der holt die amtliche Trauung eben nach, wenn die Ehefrau das gesetzliche Mindestalter erreicht hat.

Ähnlich will jetzt auch die Familie T. den gesetzlichen Hürden ausweichen. "Dann heiraten wir eben in der Türkei", kündigte Didem an. Fraglich ist allerdings, ob Ralf G. das mitmacht. Der 33-jährige kündigte bereits an, dass er die ganze Angelegenheit noch einmal überdenken wolle. Und am Wochenende solle es einen heftigen Streit zwischen ihm und Mehmet T. gegeben haben, berichtete "Hürriyet".

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