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Ulrich Walter, deutscher Astronaut und Raumfahrtforscher in München.

© IMAGO

MarsOne: Raumfahrt-Experte geht mit Mars-Projekt hart ins Gericht

Das niederländische Marsprojekt MarsOne stößt auf Kritik. „Die Technologie ist einfach noch nicht so weit“, sagt Ulrich Walter, ehemaliger Astronaut und Leiter des Lehrstuhls für Raumfahrttechnik an der TU München.

In elf Jahren sollen im Rahmen des „Mars One“-Projekts erstmals Astronauten den Mars betreten. Die Erfolgschancen sind aber sehr gering. Um sich zeit- und geldraubende Neuentwicklungen zu sparen, soll nur vorhandene Technik eingesetzt werden. Dabei gibt es bisher kein Mars-Raumschiff. Zwar wurden schon einige Roboter dorthin gebracht und teilweise recht raffiniert auch große und sensible Lasten abgesetzt, wie die beeindruckende Landung des Nasa-Rovers „Curiosity“ im Sommer 2012 zeigte. Dennoch ist ein Roboter etwas anderes als eine Crew von Astronauten. Für bemannte Flüge gelten viel strengere Sicherheitsanforderungen: vom Start über die mehrmonatige Reise unter Dauerbeschuss durch kosmische Strahlung bis hin zu einer sicheren Landung.

„Gerade Letzteres ist auf dem Mars alles andere als einfach, wie einige gescheiterte Missionen in der Vergangenheit zeigen“, sagt der ehemalige Astronaut und Leiter des Lehrstuhls für Raumfahrttechnik an der TU München, Ulrich Walter. Er schätzt, dass die Mars-One-Crew lediglich mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 Prozent lebend auf dem Roten Planeten ankomme. „Die Technologie ist einfach noch nicht so weit“, sagt Walter. Nicht umsonst arbeite die Nasa seit Jahrzehnten an einem bemannten Marsflug und habe ihn immer noch nicht gestartet. „Die Experten fordern eine 90-prozentige Wahrscheinlichkeit für eine gesunde Rückkehr, eher wird nicht geflogen.“

Die Nasa plant eine bemannte Mars-Mission erst Mitte der 30er Jahre

Der Ex-Astronaut geht mit dem privaten Marsprojekt hart ins Gericht. „Die machen ihr Geld mit der Show. Was mit den Menschen im All passiert, ist ihnen völlig egal.“ Selbst bei geglückter Landung müssten sich die Astronauten auf ein baldiges Ende einstellen. Da der Mars nur eine sehr dünne Atmosphäre besitzt, treffen viel mehr Asteroiden auf seiner Oberfläche auf. Auch auf die Station, was fatale Folgen hätte. Nimmt man weitere technische, aber auch medizinische Probleme hinzu, so ist laut Walter die Chance, nach drei Monaten noch am Leben zu sein, geringer als 20 Prozent.

Eine Frage moralischer Prinzipien

Nicht zu unterschätzen ist auch die Psychologie bei einem solchen Trip. Das zeigen Isolationsexperimente, bei denen Freiwillige teilweise über mehr als ein Jahr auf eine simulierte Raummission geschickt wurden. Apathie, aber auch Aggressionen wurden teilweise zu großen Problemen, die in mindestens einem Fall sogar zum Abbruch des Experiments zwangen. Die Raumfahrtagenturen haben daraus gelernt. Wenn heute Crews zusammengestellt werden, schauen auch Psychologen genau hin, ob die Männer und Frauen zusammenpassen. Weiterhin können die Raumfahrer regelmäßig über geschützte Kanäle mit Psychologen auf der Erde sprechen, um Eskalationen zu verhindern. Ob die Mars-One-Crew wirklich zusammenhält, wenn sie nur aus Leuten besteht, deren größtes Ziel es ist, als erste Menschen auf dem Mars in die Geschichte einzugehen – egal zu welchem Preis? Leuten, die den Tod sicher vor Augen haben?

Die Nasa plant mit einem ersten bemannten Flug zum Mars erst für Mitte 2030. Und auch dafür gibt es noch lange keine Garantie. Das Ziel, „in 20 bis 30 Jahren“ dort zu landen, hegt die Agentur schon länger. Ihre finanziell goldenen Jahre sind vorüber, seit der Mondlandung geht ihr Budget gemessen am gesamten US-Haushalt zurück.

Ohnehin dürfte der bemannte Marsflug den Amerikanern nicht allein gelingen, sondern eher in Kooperation mit den Europäern, vielleicht auch weiterer Raumfahrtnationen. Das liegt an den horrenden Kosten. Belastbare Zahlen gibt es nicht, aber ungefähre Schätzungen reichen rasch an die 100 Milliarden Euro für das Unterfangen. Zum Vergleich: Die Curiosity-Mission liegt bei rund zwei Milliarden Euro. Allerdings, ein maßgeblicher Teil der Kosten entfällt auf den sicheren Rücktransport der Crew. Dieser Posten taucht bei MarsOne nicht auf.

Dieser kostensparende Ansatz ist bei Missionen, die mit staatlichem Geld gefördert werden, indiskutabel. Darüber sind sich die Verantwortlichen bei den Raumfahrtagenturen einig. Etwas anderes ließe sich auch kaum durchsetzen. „Wenn mein Steuergeld für solch einen Mission eingesetzt würde, würde ich einen großen Protest organisieren“, sagt Walter. Wo öffentliches Geld eingesetzt werde, müsse man sich auch an moralische Prinzipien halten.

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