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Geparkte Autos wurden bei einem Erdbeben im kroatischen Zagreb von herabfallenden Trümmern zerstört.

© dpa

Nach dem Erdbeben in Kroatien: Wie sich Betroffene in Zagreb im Stich gelassen fühlen

Einen Monat nach dem Erdbeben in Kroatien warten Betroffene noch immer auf Hilfe. Der Wiederaufbau könnte teuer werden.

Wer den Schaden hat, kann in Kroatien kaum auf schnelle Hilfe hoffen. Einen Monat nach dem Erdbeben von Zagreb harren tausende geschädigter Wohnungsbesitzer vergeblich auf Hilfe und Anweisungen zum Wiederaufbau oder Abriss ihrer zerstörten Besitztümer. „Die Zagreber sind sich selbst überlassen“, titelt ernüchtert das Webportal „index.hr“: „Es ist eine Schande.“

Am frühen Morgen des 22. März hatten mehrere heftige Erdstöße mit einer Stärke von bis zu 5,4 auf der Richterskala in Zagreb die Erde beben lassen. Ein 15-jähriges Mädchen verlor ihr Leben, 27 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Nur die Trümmer sind seitdem in der von dem Beben besonders hart getroffenen Altstadt weitgehend geräumt. Doch die Probleme häufen sich.

Rund 24 000 Gebäude sollen nach Angaben der Zagreber Stadtverwaltungen beschädigt worden sein, davon 1900 schwer. Wegen Einsturzgefahr musste am vergangenen Wochenende die verbliebene Turmspitze der erdbebengeschädigten Kathedrale gekappt werden: Ob und wann die gestutzten Glockentürme des Stadtwahrzeichens wieder aufgebaut werden, ist völlig ungewiss.

Nach Angaben des Bauministeriums dürften die Kosten für die Behebung der Schäden rund 5,5 Milliarden Euro betragen: Wegen des erhöhten Erdbebenrisikos in der Region ist in vielen Gebäuden die völlige Erneuerung der Statik nötig. Der Wiederaufbau der Stadt könne bis zu zehn Jahren dauern, sagt Zagrebs zunehmend in die Kritik geratener Bürgermeister Milan Bandic. Die Bürger werfen ihm ein verfehltes Krisenmanagement, Unfähigkeit – und Korruption vor.

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Tatsächlich hat das Beben den Adriastaat in der Viruskrise zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt erwischt. Die Kassen sind leer, die Hilfsprogramme für die Wirtschaft drohen die Staatsverschuldung auf mehr als 90 Prozent steigen zu lassen. Wegen der großen Abhängigkeit vom Tourismus werden die Folgen der Viruskrise Kroatien besonders hart treffen: Bereits jetzt gehen Analysten für 2020 von einem Minus von neun Prozent für die Branche aus.

Das Beben hat die Mängel von Kroatiens aufgeblähter Verwaltung schonungslos offengelegt. Die Stadt und das Bauministerium kooperieren schlecht und schieben sich gegenseitig die Verantwortung für das gemeinsame Versagen zu. Auch nach einem Monat haben die Bauinspektoren erst die Hälfte der gemeldeten Schäden gesichtet: Ohne gesetzliche Grundlage können Architekten und Bauingenieure den rat- und hilflosen Erdbebenopfern kaum etwas empfehlen.

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Von der Stadt und dem Staat allein gelassen, von ihren Versicherungen versetzt: Zwar ist ein Großteil der Geschädigten gegen Naturkatastrophen versichert – doch Kroatiens pfiffige Versicherungen haben Erdbeben oft davon ausgenommen. Zu allem Übel versuchen manche Handwerker mit überzogenen Rechnungen Gewinn aus der Sanierungsnot zu ziehen.

Sie hätte erwartet, dass jemand den Erdbebenopfern sagen werde, was sie tun sollen und was in der Verantwortung der Behörden liegt, klagt Vesna Blaskovic, Mitbegründerin einer Facebook-Selbsthilfegruppe, der Agentur HINA. Doch es gebe „keine Struktur, keine Organisation“, sagt sie. Ihre resignierte Schlussfolgerung: „So wie die Lage ist, müssen wir wohl alles selbst lösen.“

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