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Nachsorge: Die Lehren aus der Epidemie

Ehec hat Deutschland in Atem gehalten. Jetzt spricht kaum noch jemand darüber. Ist die Epidemie jetzt vorüber? Die Warnung vor dem Verzehr von Sprossen bleibt jedenfalls noch auf unbestimmte Zeit bestehen.

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Über Wochen hinweg, seit Ende Mai dieses Jahres, hielten Ehec-Infektionen die Deutschen in Atem, bestimmten immer neue Todesfälle und steigende Erkrankungszahlen die Schlagzeilen. Aus den alarmierenden Fakten entwickelte sich der Begriff Ehec-Epidemie und aus der lange Zeit verbreiteten Ratlosigkeit der Behörden die Bezeichnung Ehec-Krise. Fast so schnell, wie die bedrohliche Krankheit aufgetaucht war, verschwand sie wieder aus dem öffentlichen Bewusstsein, als die Herkunft des Erregers bekannt und der Keim nachgewiesen worden war – auf Sprossen und nicht auf dem „Allerwelts“-Gemüse Tomaten, Gurken und Blattsalat.

Wie ist der aktuelle Stand der Ehec-Erkrankungen?

Das Schlimmste ist überstanden – so lautet die Botschaft in Sachen Ehec-Krise. Am Mittwoch teilte das Robert-Koch-Institut (RKI) mit, verschiedene epidemiologische Kennzahlen deuteten darauf hin, „dass sich der Ausbruch dem Ende zuneigt“. Weitere Erkrankungen würden zunehmend unwahrscheinlicher, könnten aber nicht ausgeschlossen werden.

In Deutschland haben sich nach Angaben des RKI bislang 4181 Personen mit dem Ehec-Erreger infiziert. An den Folgen starben mit Stand vom Donnerstag 51 Menschen. Die letzte bekannte Neuansteckung bei einem Patienten fand am 27. Juni statt. Der Höhepunkt der Epidemie war am 22. Mai erreicht. Epidemiologische Untersuchungen hätten mittlerweile den „Verzehr von Sprossen eindeutig als Quelle identifiziert“, sagt RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher. Wie lange die Warnung vor Sprossen aber noch aufrechterhalten wird, steht derzeit noch nicht fest. Dies hänge davon ab, wie lange noch verseuchtes Samengut im Umlauf sei, so eine Sprecherin des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).

Die Situation in Schleswig-Holstein, einem der am meisten betroffenen Länder, hat sich nach Aussagen der Behörden komplett entspannt. Von bundesweit 2945 Erkrankungsfällen waren im nördlichsten Bundesland zuletzt 918 Patienten gezählt worden, davon 200 Fälle des mit einem ernsthaften Krankheitsbild behafteten hämolytisch-urämischen Syndroms (Hus). Es gebe nur noch wenige Neuerkrankungen. „Das ist auch damit zu erklären, dass bei den von Gesundheitsämtern angeordneten Umgebungsuntersuchungen immer noch mal ein infiziertes Familienmitglied eines Ehec-Erkrankten auftaucht“, sagt Christian Kohl, Sprecher im Gesundheitsministerium in Kiel.

In der Hauptstadt sind seit Beginn der Ehec- und Hus-Ausbruchswelle Mitte Mai insgesamt 48 Berliner Patienten mit dem aktuell besonders oft aufgetretenen Ehec-Typus und 17 mit dem schweren Hus-Krankheitsverlauf in Kliniken behandelt worden, heißt es bei der Berliner Senatsgesundheitsverwaltung. Todesfälle gab es keinen. Die aktuellste Ehec-Infektion eines Berliners wurde dem RKI am 13. Juni, die jüngste Hus-Infektion am 22. Juni gemeldet.

Wie ist die Situation der Ehec-Patienten nach überstandener Infektion? Lesen Sie weiter auf Seite 2.

Aus dem Universitätsklinikum (UKSH) Schleswig-Holstein, das mit seinen Standorten in Kiel und Lübeck die meisten Ehec-Fälle zu versorgen hatte, heißt es, dass derzeit nur noch zwei bis drei schwere Krankheitsverläufe und gerade mal ein knappes Dutzend Patienten auf den Intensivstationen zu betreuen seien. UKSH-Sprecher Oliver Grieve versichert: „Zu uns muss von den entlassenen Patienten zurzeit niemand zur Nachsorge vorbeikommen.“ Diese Aufgabe falle in den Bereich der Hausärzte. Für den Kieler Bereich der Klinik sagt Tanja Kühbacher, Fachärztin für innere Medizin, dass von den dortigen Patienten niemand neurologische Langzeitfolgen und Nieren-Komplikationen befürchten müsse.

Dagegen rechnet man im Uniklinikum Hamburg-Eppendorf damit, dass Ehec- und Hus-Patienten noch längere Zeit zur Nachsorge kommen müssen. Derzeit sind das in Hamburg 120 Patienten. Viele von denen, die die Komplikation des hämolytisch-urämischen Syndroms hatten, bekommen Infusionen mit dem Antikörper Eculizumab. Wann jemand tatsächlich Ehec-frei ist, ist schwer zu sagen, weil mitunter nach drei negativen Stuhlproben doch wieder eine positive auftaucht, da der Keim sehr heimtückisch ist.

Was hat man in Deutschland aus der Ehec-Krise gelernt? Hier geht's weiter.

Für eine abschließende Bewertung sei es noch zu früh, stimmen die beteiligten Institutionen überein. Das RKI konzentriere sich weiterhin darauf, die Meldedaten der Fälle zu überwachen, sagt Sprecherin Glasmacher. Sie verweist aber darauf, dass über die Frage der Meldewege gesprochen werden müsse, wie auch aus der Politik angeregt worden sei. Die Länder-Gesundheitsminister richteten in der vergangenen Woche eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein, die dazu Vorschläge erarbeiten soll. Die langsamen Informationswege hatten vor allem Ärzte beklagt. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Riskikobewertung, regt ein elektronisches System zur Rückverfolgung von Lebensmitteln an. „Zeit ist alles in solchen Krisen.“

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit bewertet das Ehec-Krisenmanagement generell positiv. Der Ansatz, eine Task Force einzurichten, die dem Erreger auf die Spur geht, habe sich bewährt, so ein Sprecher. „Die Warnungen vor Tomaten und Gurken war im jeden Fall richtig“.Bei diesem Kenntnisstand sei dies das einzig „verantwortungsvolle Handeln“ gewesen. Ehec habe die Behörden vor gänzlich neue Herausforderungen gestellt. „Zu Beginn war ja vollkommen unklar, was die Ehec- Quelle sein könnte“, so der Sprecher des Verbraucherschutzamtes. Dem eigentlichen Übeltäter, den Sprossen, habe man sich nur über ein Ausschlussverfahren nähern können.

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