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Blumen wurden in Berlin für ein Opfer eines Femizids niedergelegt.

© IMAGO/Frank Sorge

„Noch viel häufiger im Verborgenen“: 2022 und 2023 mindestens 26 Opfer von „Ehrenmorden“

In den vergangenen zwei Jahren gab es in Deutschland mindestens 26 Fälle von versuchten und vollendeten „Ehrenmorden“. Die Dunkelziffer dürfte noch weitaus höher liegen.

Mindestens 26 Menschen sind in den vergangenen zwei Jahren Opfer von versuchten oder vollendeten sogenannten Ehrenmorden geworden. Eine Terre-des-Femmes-Studie, die der „Welt am Sonntag“ vorliegt, spricht in diesem Zusammenhang von zwölf Todesopfern, davon zehn Frauen. Hinzu kämen weitere 14 Opfer versuchter Morde, darunter neun Frauen.

Die vermeintliche „Ehrverletzung“ bestand nach Angaben der Frauenrechtsorganisation in einem Verhalten, das gegen auferlegte Verhaltensnormen zur weiblichen Sexualität und sozialen Stellung der Frau verstoßen habe. Laut Terre des Femmes handelt es sich bei den männlichen Opfern etwa um neue, „nicht legitime“ Partner oder Väter unehelicher Kinder.

Terre-des-Femmes-Referatsleiterin Myria Böhmecke sagte, die öffentlich bekannten tödlichen Delikte stellten nur einen kleinen Teil dieses Gewaltphänomens dar. „Bei dem Großteil der Fälle ist außerdem von vorausgegangener, jahrelanger Gewalt zu lesen, von der man ausgehen kann, dass sie noch viel häufiger im Verborgenen stattfindet.“ Es brauche die Möglichkeit für Betroffene, bei einer akuten Gefahr in eine Art „Zeugenschutzprogramm“ aufgenommen zu werden.

Bundesjustizminister Marco Buschmann bezeichnete „Ehrenmorde“ als abscheulichsten Ausdruck geschlechtsspezifischer Gewalt. „Ihnen liegt ein irriges Verständnis von Ehre zugrunde, zumeist gepaart mit dem reaktionären Verständnis eines Besitzanspruches des Mannes über seine Frau oder Tochter.“

Der FDP-Politiker verwies auf die kürzliche Änderung im Strafgesetzbuch, mit der bekräftigt wird, dass „geschlechtsspezifische“ Motive bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Kein Mensch dürfe sich anmaßen, über das Leben einer anderen Frau zu bestimmen - „und schon gar nicht, sie aus vermeintlichen Ehrmotiven zu töten“, so Buschmann.

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) forderte, die Taten konsequent zu bekämpfen und zu verfolgen. Die Vize-Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Andrea Lindholz, nannte es „unerträglich, dass mitten in Deutschland sogenannte Ehrenmorde stattfinden“. Die kulturellen und religiösen Zusammenhänge müssten klar benannt werden, um insbesondere Frauen besser zu schützen. Bezeichnungen wie „Femizide“ verschleiern nach Ansicht der CSU-Politikerin „die wahren Beweggründe für diese furchtbaren Taten, da auch Männer Opfer werden“. (KNA)

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