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Semperoper

© ddp

Opernball: Dresden im Dreivierteltakt

Beim Semperopernball singt und tanzt die Prominenz, lacht und tratscht – und diskutiert über den richtigen Umgang mit Jugendgewalt.

Nachts um halb zwei ist noch lange nicht Schluss beim 3. Semperopernball in Dresden. Gleich hinter der rotsamtenen Königsloge begrüßen sich Franz Beckenbauer und Udo Jürgens mit einer Umarmung. Während der Sportler weiter mit Frau Heidi und Freunden am Stehtisch plaudert, nimmt der Sänger, der sich gerade in Interviews für mehr Härte gegenüber gewaltbereiten jungen Wiederholungstätern ausgesprochen hat, lebhaft gestikulierend zwischen Ministerpräsident Georg Milbradt und dessen Frau Angelika Platz. Kurz zuvor hatten dort noch Henry Maske und seine Frau Manuela gesessen, die in dieser Diskussion eine ganz andere Auffasung vertreten und den Abend nutzten, um dafür zu werben. Der Ex-Boxer war einer von drei Preisträgern des „Sächsischen Dankordens“, der aus Anlass des Balls verliehen wird. In ihrer Laudatio auf den „Champ und Gentleman“ ging Schauspielerin Dennenesch Zoudé ausführlich auf Maskes Engagement für benachteiligte Jugendliche ein: „Bei Ihnen finden sie Menschen, denen sie vertrauen können.“ Mit einem leidenschaftlichen Plädoyer gegen mehr Härte bedankte sich die Boxlegende: „Junge Leute müssen nicht härter bestraft werden“, sagte er. Es gebe vielfältige Möglichkeiten, ihnen zum Vorbild zu werden, und die müsse man ausschöpfen.

Udo Jürgens warnte auf eigene Weise vor Ausländerfeindlichkeit. „Griechischer Wein“ kam in einem Medley bei dem umjubelten eineinviertelstündigen Auftritt vor, der kurz vor Mitternacht begann und einmal mehr bewies, dass es für einen Ball kaum was Besseres gibt, als Udo Jürgens mit seinen altvertrauten Liedern. Bei „Ich war noch niemals in New York“ tobten die Tanzenden über das Parkett wie ausgelassene Kinder.

Mit feierlichem Ernst hatten dagegen 81 Debütantenpaare im Alter zwischen 16 und 26 Jahren den Ball eröffnet. Die Debütantinnen alle gleich gekleidet, in lange, geraffte rote Roben mit Steckfrisuren, die Jungen mit konzentrierten Gesichtern. Artig drehen sie sich zu den Klängen von Johann Strauss’ „Walzer an der Elbe“. Das wirkt feierlich, kunstvoll inszeniert.

Die Semperoper bietet eine denkbar festliche Kulisse für den ausverkauften Ball, dessen Macher den Wiener Opernball ein- und überholen möchten. Der Bass-Star Matti Salminen singt Arien, das MDR-Fernsehballett tanzt. Die Gäste, darunter der chinesische Botschafter Canrong Ma, Liz Mohn, Roger Whittaker, Bernhard von der Planitz und Kurt Biedenkopf, bekommen große Oper als festlichen Ball geboten. US-Botschafter William Timken und Frau Sue sind schon zum zweiten Mal dabei, erzählen von ihren eigenen Erfolgen zum Thema Jugendgewalt. Immer mehr Städte melden Interesse an Aufführungen des Musicals „Streets of Wedding“, das Jugendliche aus schwierigem Umfeld auf ihre Initiative hin einstudiert haben.

Kurt Masur und Lothar de Maizière erhalten ebenfalls den goldenen Dankorden, der den Heiligen Georg auf seinem Pferd zeigt und den Kampf des Guten gegen das Böse symbolisiert. Die Lobrede auf den weltweit beliebten Dirigenten und seine großen Verdienste um die friedliche Wende im kritischen Herbst 1989 hält der Chef des Bundeskanzleramts, Thomas de Maizière. Die Verdienste des letzten Ministerpräsidenten der DDR um „den guten Weg in die Freiheit“ und die deutsche Einheit würdigte Georg Milbradt. Dessen Frau Angelika liebt Auftritte als „Frau an seiner Seite“ eigentlich gar nicht. „Aber bei diesem Ball werde ich einfach schwach“, sagt die Professorin lachend. „Zum Glück konnten wir den Eröffnungswalzer zwischen den Debütanten tanzen, da ist man nicht so auf dem Präsentierteller.“ Als Gastgeberin fungiert die junge Schauspielerin Wolke Hegenbarth, die in einem märchenhaften rosa Ballkleid wie ein Star gefeiert wird, auch wegen ihres Vorfahren, dem Maler Josef Hegenbarth, nach dem in Dresden ein Weg benannt ist. Auch der Erfinder der Digedags gehört, wie sie sagt, zur weitläufigen Verwandtschaft.

Draußen auf dem Theaterplatz wird bei milden Temperaturen ebenfalls kräftig gefeiert. Rund 10 000 Gäste bekommen live ein Feuerwerk zu sehen, das drinnen nur zu hören und an Übertragungsschirmen zu sehen ist. Es gibt Glühwein, Musik und einen Maskenwettbewerb. Kostümierte Karnevalisten aus allen Ecken des Freistaates kommen im Rahmen einer Charity-Aktion zugunsten von Liz Mohns Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe hier zusammen.

Nachts um zwei sind die Teilnehmer des Openairballs verschwunden, während die Prominenten immer noch weiterfeiern. Franz Beckenbauer ist auf den Ball aufmerksam geworden, als er selbst den Orden bekam. „Ich bin ja viel in Pflichtprogrammen unterwegs“, sagt er. „Dies ist eine der wenigen Veranstaltungen, wo ich ganz ohne Protokoll bin, einfach weil es mir Spaß macht.“

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