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Panorama: Pakistanische Christin auf Kaution frei Überraschende Wendung

in Blasphemie-Verfahren.

Neu-Delhi - Ihr Schicksal hat die Welt empört. Und sogar islamische Hardliner in Pakistan berührt. Nun kommt die junge Christin Rimsha Masih, der wegen angeblicher Blasphemie lebenslange Haft drohte, auf Kaution frei. Dies entschied das Gericht am Freitag in Islamabad. Seit drei Wochen hatte das geistig zurückgebliebene Mädchen mit Schwerkriminellen im Adiala-Gefängnis in Rawalpindi gesessen. Ihr „Verbrechen“: Sie soll Papiere mit Koranversen verbrannt haben.

Selten hatte ein „Blasphemie“-Fall das islamische Land so aufgewühlt wie dieser. Denn Rimsha, die als Müllsammlerin arbeitet, ist nicht nur minderjährig – die Altersangaben schwanken zwischen elf und 14 Jahren, sie leidet angeblich auch unter dem Down-Syndrom und kann weder lesen noch schreiben.

Zwar muss ihre Familie eine Million Rupien Kaution, rund 8000 Euro, hinterlegen, doch man geht davon aus, dass das Geld gespendet wird. Minderheitenminister Paul Bhatti sprach von einem „Tag der Freude“. Rimsha werde unter Schutz gestellt. Fanatiker könnten ihr und ihrer Familie nach dem Leben trachten. Mehrfach wurden Blasphemie-Angeklagte gelyncht. „Pakistan ist kein sicherer Ort mehr für Rimsha, sie und ihre Familie brauchen politisches Asyl“, appellierte der Journalist Abdul Nishapuri ans Ausland.

Der Fall hatte am Sonntag eine sensationelle Wende genommen, als die Polizei den Imam Hafiz Mohammed Khalid Chishti festnahm. Er soll Seiten aus dem Koran gerissen und dem Mädchen untergeschoben haben. Er habe Rimsha Blasphemie anhängen wollen, um die Christen aus der Siedlung bei Islamabad zu vertreiben, sagten Chishtis Stellvertreter und zwei seiner Assistenten aus.

Chishtis Kalkül schien zunächst aufzugehen: Hunderte Christen aus Rimshas Slum flohen aus Angst vor Racheakten, ein Mob wollte Rimsha töten. Doch dann wendete sich die Stimmung: Dem Imam droht nun selbst ein Prozess wegen Blasphemie – und islamische Geistliche standen für Rimsha auf. Allen voran der religiöse Führer Mohammad Tahir Mehmood Ashrafi, der eher als Hardliner gilt und Chef der Vereinigung islamischer Geistlicher Ulema ist.

Öffentlich forderte Ashrafi, der selbst ein Kind mit Down-Syndrom haben soll, ihre Freilassung. Rimsha sei eine „Tochter der Nation“, sagte Ashrafi. „Wir beugen unsere Häupter vor Scham für das, was Chishti getan hat.“ Es gehört Mut dazu, solche Worte zu sagen. Seit Jahren versuchen Liberale, das unselige Blasphemie-Gesetz zu reformieren. Doch Politiker wie Salmaan Taseer oder Shahbaz Bhatti, die es wagten, das Gesetz zu kritisieren, wurden ermordet – und ihre Mörder wie Helden gefeiert.

Das ursprüngliche Gesetz stammt aus der Zeit der britischen Kolonialherren und schützte alle Religionen vor Anfeindungen. Unter dem früheren Militärherrscher Zia Ul-Haq wurde es verschärft und islamisiert. Heute droht jedem der Tod oder lebenslange Haftstrafe, der den Propheten Mohammed beleidigt oder den Koran schändet. Christine Möllhoff

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