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Kurz vor dem Anschlag waren bei einer Nachrichtenagentur und der Polizei Drohungen eingegangen.

© Reuters

Schweden: Stockholm entgeht knapp verheerendem Terroranschlag

Terror im Weihnachtstrubel: Mitten in Stockholm hat sich ein Attentäter durch einen Sprengsatz getötet. Der Mann trug sechs Rohrbomben, von denen nur eine explodierte. Fast zeitgleich detonierte ein Auto.

Die schwedische Hauptstadt ist nur knapp einer verheerenden Terrorkatastrophe entgangen. Mitten im Einkaufstrubel sprengte sich am Samstagnachmittag ein Selbstmordattentäter in der Fußgängerzone in die Luft und ließ außerdem ein Auto explodieren. Wie durch ein Wunder kam außer dem Attentäter niemand ums Leben. Die schwedische Polizei stufte den Anschlag als „sehr ernsten Terrorakt“ ein. Obwohl Häuser von der Wucht der beiden Detonationen erzitterten und Passanten sofort in Panik gerieten, wurden nur zwei Menschen verletzt.

Unmittelbar vor den Explosionen hatten die Polizei und die Nachrichtenagenur TT eine Drohmail sowie den auf Band gesprochenen Abschiedstext eines Mannes bekommen. Es wurde bis Sonntag aber nicht offiziell bestätigt, dass der Selbstmordattentäter der Absender der auf Schwedisch und Arabisch eingesandten Texte war.

Der Attentäter war nach der Explosion einer Rohrbombe an seinem Körper auf der nur relativ kleinen Bryggergatan im Stadtzentrum kurz vor 17 Uhr sofort tot. Als erster Augenzeuge berichtete ein Mann mit dem Vornamen Pascal in der Zeitung „Dagens Nyheter“: „Es sah aus, als trug er etwas, was dann direkt vor seinem Bauch explodierte.“ Pascal versuchte, dem mit einer riesigen Bauchwunde am Boden Liegenden erste Hilfe zu leisten: „Ich hab Herz- und Lungenmassage versucht, aber es war zu spät.“ Der Mann hatte seinen Rucksack mit Reißnägeln sowie weiterem Sprengstoff gefüllt.

Menge geriet nach Explosion in Panik

Wenige Minuten zuvor war nur 200 Meter entfernt an der Ecke Olof-Palme-Gate zur Drottninggatan ein Auto explodiert. Die Drottninggatan ist vor allem an den Dezember-Wochenenden Stockholms meistbesuchte Einkaufsstraße. Die Menge flüchtete nach der Explosion in wilder Panik. Augenzeugen berichteten, dass sie in dem geparkten Auto mindestens eine Gasflasche gesehen hätten.

In den Drohmails an die Polizei und die Nachrichtenagentur TT rief der Mann zum „Heiligen Krieg“ gegen Schweden auf. In der Mail nannte er „das Schweigen des schwedischen Volkes“ zur Mohammed- Karikatur des heimischen Künstlers Lars Vilks sowie die Anwesenheit schwedischer Soldaten in Afghanistan als Grund für seinen Aufruf zum Terror: „Jetzt müssen eure Kinder, Töchter und Schwestern sterben.“ Die Drohung per E-Mail vor der Explosion spricht nach Expertenansicht gegen eine Verbindung des Attentäters zum Terrornetzwerk Al-Kaida. Denn die Terroristen, die auf den Befehl der Führung um Osama bin Laden hören, hatten sich bisher nur nachträglich zu ihren Taten geäußert, etwa durch die Veröffentlichung von „Märtyrer-Botschaften“.

Täter wollte sich vermutlich erst in Menschenmenge sprengen

In dem gesprochenen Text berichtete der Mann, dass er sich bei einem Aufenthalt im Nahen Osten für den Jihad habe ausbilden lassen. Seine Familie bat er um Vergebung, weil er sie über die Gründe für die Reise getäuscht habe. Er bat seine Ehefrau, die Kinder von ihm zu küssen. Die Polizei wollte keinen Kommentar zu den Texten sowie zur Identität des Mannes abgeben. Ein Sprecher lehnte es auch ab, sich zu Medienberichten zu äußern, wonach es sich bei dem Täter um einen Iraker handeln soll. Nach Informationen der Zeitung „Aftonbladet“ soll der Absender der Drohmail und des gesprochenen Textes ein 28-jähriger Mann sein, der mit seinem vollen Namen unterschrieben hat. Von ihm gebe es auch Märtyrer-Videos auf Facebook.

In ersten Kommentaren aus Stockholm wurde vermutet, dass sich der Attentäter wahrscheinlich erst auf der von Menschen wimmelnden Drottninggatan in die Luft sprengen wollte. „Wenn das gelungen wäre, hätte es ein furchtbares Massaker gegeben“, zitierte die Zeitung „Aftonbladet“ einen namentlich nicht genannten Behördensprecher.

Ausweichend äußerten sich die Polizeivertreter auf die Frage nach möglichen Mittätern und Folgeanschlägen. Der Sprecher der Sicherheitspolizei Säpo, Anders Thornberg, sagte am Sonntag, man gehe jetzt nicht von weiteren akuten Bedrohungen für Schweden aus. Man werde deshalb die seit Oktober geltende Einstufung beim Terroralarm unverändert lassen. In der Stockholmer Innenstadt soll dennoch ab sofort zusätzlich Polizei patrouillieren. (dpa)

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