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Plastiktüte am Straßenrand in Berlin (Symbolbild)

© dpa/Christoph Schmidt

Selbstversuch ohne Plastik: Wie ein Raucher auf Nikotinentzug

Eine Woche ohne Plastik beim Einkauf? Unser Autor hat es versucht und festgestellt: Es ist mühsam. Aber das war Pionierarbeit immer.

Einkaufen ohne Plastik einzukaufen, das klingt in unseren Breiten praktikabel: Geht der Konsument eben einfach dahin, wo wenig in Plastik Verpacktes angeboten wird. Im Biomarkt meines Vertrauens gibt es zum Beispiel Stoffbeutel zu kaufen, in die Gemüse, Obst und anderes abgefüllt werden können.

Das Lieblingsknuspermüsli des Sohnes kostet 1,09 Euro pro 100Gramm. Teurer als Müsli in Folie. Wer auf Plastik verzichtet, muss oft mehr bezahlen. Wenn er darf, denn an der Kasse bleibt mein Versuchsbeutel auf dem Scanner liegen.

„Was ist das?“, fragt die Kassiererin. „Knuspermüsli.“ – „Kirschen?“ – „Nein, mit Beeren.“ Sie findet nichts in ihrer Liste. Ich gehe nachschauen: „Beerenknuspermüsli.“ Sie: „Mein Gott!“ Hinter mir wird die Schlange länger. Eine Mitarbeiterin sagt: „Kommen Sie bitte auch an diese Kasse.“

Es ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich mich erklären muss: „Ich wollte Müsli ohne Plastikverpackung kaufen.“ Die Kassiererin seufzt und tippt ein. Macht 2,49 Euro. Kann ja nicht sein bei 500 Gramm und 10,90 das Kilo. Ich weise darauf hin. Sie zuckt mit den Schultern: „Anders geht es heute halt nicht.“

Die Müsli-Affäre ist schräger Höhepunkt in meinem Einkaufsexperiment. Zwei Wochen lang habe ich mich mit Plastikverpackungen beschäftigt. In der ersten Woche habe ich so wie immer eingekauft und den Müll gesammelt, Berg (siehe Foto unten) und Bericht waren im Tagesspiegel am Sonntag vergangener Woche.

Wer abnehmen will, muss ja wissen, wie viel er abnehmen kann. Und das habe ich nun die zurückliegende Woche versucht: Ganz ohne den Einkauf von Plastikverpackung auszukommen.

Der Plastikmüll einer Woche aus dem Haushalt unseres Autors.
Der Plastikmüll einer Woche aus dem Haushalt unseres Autors.

© Mike Wolff

Es war belastend, aber auch befreiend. Man kann seinen Plastikkonsum nur bis zu einem gewissen Grad ohne Verlust von Lebensqualität einschränken. Das hat die Versuchswoche gezeigt.

Sie beginnt am Montag mit dem Verzicht auf die Plastikmilchdöppen zum Kaffee. Wobei mich die erste wissende Kollegin mustert, mit „Er-wird-doch-nicht“- Blick. Nein, in keinem Fall, er wird nicht. Nie mehr. Milch ab jetzt nur aus Glasflaschen. Der abendliche Einkauf wird trotzdem anstrengend. Der Sohn will Flammkuchen aus dem Tiefkühler. No way! Spanische Tortilla. Lose Eier, lose Kartoffeln. Nüscht mit Plaste. Mein Sohn ist sauer auf mich. Plastikkonsum ist für meine Mitmenschen und meine dreiköpfige Familie auch ein Stück Freiheit, das ich ihnen jetzt nehme, denke ich.

Manches ist ökologisch sinnlos. Lange Wege zum Beispiel

Der nächste Arbeitstag. Eine andere Kollegin möchte „nicht tauschen, Sie Armer“. So ganz ohne Plastik, geht ja nicht, glaubt sie. Ich: Idee des Versuchs war, so wenig Wegwerfplastik anzuschaffen, wie es nur geht. Dass ich bei Zero rausgehe, erscheint mir kaum möglich. Es sei denn, ich gehe nur dorthin, wo kein Plastik verkauft wird. Aber wenn ich dafür 20 Kilometer weit fahren muss, ergibt das ökologisch keinen Sinn und ist auch kein Alltagstest.

Der Mittwoch bringt mir das Erlebnis mit dem Müsli. Im Liveblog zum Experiment gibt es Diskussionen darüber, ob Menschen über Plastikentzug immer so leidend referieren müssen. Müssen nicht, aber es ist nicht einfach. Klippen stehen selbst im Reformhaus. Am Tresen sage ich: „Bitte nicht das Preisschild mit Tesa ans Brotpapier pappen.“ Was ein Erfolgserlebnis.

 Hüllenlos und tragbar. Der Einkauf auf dem Wochenmarkt ist für Müllvermeider ein Genuss.
Hüllenlos und tragbar. Der Einkauf auf dem Wochenmarkt ist für Müllvermeider ein Genuss.

© Rüdiger Wölk/Imago

Tags darauf gehe ich auf den Wochenmarkt. Dort gibt’s kein Plastik am Obst- und Gemüsestand. Ideal. Dann aber tappe ich beim Supermarktkauf fast naiv in die Plastikfalle. Mineralwasser aus der Glasflasche kommt auch nicht ohne Plaste aus. Am Flaschenkopf, zur Dichtung gibt es einen Plastik- oder (selten heutzutage) Gummiring. Oft unter dem Deckel. Daher kein Wasserkauf am Freitag.

Taschentücher wie kleine Kaffeefilter

Ich merke, dass ich mich auch selbst betrüge. Denn im Haus ist viel Gebrauchsplastik, die Zahnpasta kommt aus der Tube, die ich schon hatte. Am Samstag aber muss ich Badutensilien besorgen. Meine Frau sagt, ich solle an Taschentücher denken. Wieder daheim, präsentiere ich meine plastefreie Taschentuchbeute. „Papierverpackung, Kunststofffrei, sind aus Bambus“. Sie schaut auf die grauen Kratztücher, sie sehen aus wie kleine zu Taschentüchern geformte Kaffeefilter. Sie sagt: „Die kannst du allein benutzen.“

Der Verzicht auf Plastik basiert vor allem auf Umstellung von Gewohnheiten. Es ist zum Teil kaum möglich, die gleichen Güter zu konsumieren. Auf Manches muss der Mensch verzichten, wenn sie oder er Plastikverpackung vermeiden wollen. Wasser aus dem Hahn ist ja genauso trinkbar wie aus der Flasche. Und dieses Beispiel belegt, dass der Verzicht auf Plastik nicht immer teuer sein muss.

Reduktion beruhigt - aber der Handel ist nicht vorbereitet

Am heutigen Sonntag endet mein Experiment. Nicht, dass ich auf dieses Finale hingelitten hätte: Aber ich komme mir wie ein Raucher auf Nikotinentzug vor. Der hat genauso viel Lust wie Angst vor der nächsten Zigarette. Sicherlich werde ich irgendwann dass nächste Stück Plastik kaufen, auch wenn ich es ab jetzt wann immer möglich vermeiden will.

Denn die beiden Wochen haben viel bewegt in mir, es hat etwas Befreiendes, auf den Müll zu verzichten. Reduktion beruhigt. Der Müslikauf zeigt aber, dass der Handel auf verändertes Konsumverhalten nicht eingestellt ist. Wer nach Ware ohne Plastik fragt, wird oft ungläubig angeschaut. Aber das wird sich ändern. Der Prozess läuft, ich verändere mein Konsumverhalten durch diese Woche: Plastik wird künftig weniger gekauft als vorher, so viel steht für mich fest.

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