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Andreas Vater ist nach dem Treffen mit dem Richter erleichtert: Seine Tochter darf sterben.

© dpa

Sterbehilfe in Spanien: Die zwölfjährige Andrea darf sterben

Die Eltern des unheilbar kranken Mädchen mussten lange für das Abschalten der medizinischen Geräte kämpfen. Jetzt hatten die Ärzte ein Einsehen.

Lange weigerten sich die Ärzte, die Maschinen abzustellen, welche die mit dem Tode ringende und unheilbar kranke zwölfjährige Andrea am Leben erhielten. Obwohl sich sogar die Ethikkommission des staatlichen Krankenhauses im nordspanischen Santiago de Compostela dafür ausgesprochen hatte, den qualvollen Todeskampf des Mädchens zu beenden – und die lebenserhaltenden Geräte endlich abzuschalten. Doch erst als die Eltern vor Gericht zogen, gaben die Ärzte nach und kündigten an, einen „würdigen Tod“ des Mädchens zu ermöglichen. „Die Vernunft hat gesiegt“, sagte erleichtert Sergio Campos, der Anwalt der Familie.

Mediziner gaben erst auf Druck eines Richters nach

Der Fall der Zwölfjährigen bewegte die spanische Öffentlichkeit und fachte in Spanien eine heftige nationale Debatte über die passive Sterbehilfe an, die in einer rechtlichen Grauzone stattfindet und letztlich der Interpretation der Mediziner überlassen bleibt. In der Vergangenheit machten immer wieder dramatische Fälle Schlagzeilen, in denen Ärzte und Gesundheitsbehörden sich weigerten, dem Wunsch von Todkranken nach einem würdigen Ende nachzukommen. Was dazu führte, dass zuweilen anonyme Helfer die lebensverlängernden Maschinen abstellten oder sogar Todescocktails besorgten.

Bei Andrea hatten die Mediziner des Universitätskrankenhauses im berühmten Wallfahrtsort Santiago nun jedoch ein Einsehen: Sie kündigten nach wochenlangem und heftigem Widerstand schließlich an, dass sie die künstliche Ernährung des Mädchens und andere lebensverlängernden Maßnahmen beenden werden. Diese Ankündigung kam offenbar nicht zufällig, sondern auf Druck eines Richters zustande, der eine Einigung zwischen Eltern und Krankenhaus vermittelt hatte - ohne dass es zu einem ausdrücklichen Urteil kam.

Andrea war seit ihrer Geburt krank

„Lassen Sie unsere Tochter in Ruhe sterben“, baten die Eltern, Antonio Lago y Estela Ordoñez. Sie wachten Tag und Nacht am Bett ihrer Tochter, deren Zustand sich in den letzten Monaten weiter verschlechtert hatte. Die Zwölfjährige litt praktisch seit Geburt an einer unheilbaren und seltenen neurodegenerativen Krankheit, die nach und nach alle Bewegungsfunktionen und Organe lahmlegte.

„Ihr Körper machte einfach nicht mehr mit“, berichtet ihre Mutter, als sie mit tränengeröteten Augen aus dem Krankenhaus kam. „Jeder Moment mehr war eine Minute mehr des Schmerzes.“ Sie versteht nicht, warum sie bei den Ärzten zunächst auf wenig Verständnis stieß mit der Bitte, dem sichtbaren Leiden ihrer Tochter ein Ende zu setzen. „Die gaben mir das Gefühl, dass ich meine Tochter töten wollte.“ Alle Debatten mit Ärzten und Gesundheitsbehörden seien verlaufen, „als ob wir mit einer Wand gesprochen hätten“.

Die spanische Regierung will das Thema Sterbehilfe nicht angehen

Auch von der konservativen Regierung kam keine Hilfe: Rocío Mosquera, Gesundheitsministerin der Region Galicien, in der die Pilgerstadt Santiago liegt, verteidigte die anfängliche Weigerung der Ärzte, Andrea friedlich einschlafen zu lassen. Dies sei „keine therapeutische Grausamkeit“ gewesen und besser als eine von der Familie gewünschte Sterbehilfe.

Damit lag Mosquera ganz auf der Linie der auch die Zentralregierung Spaniens stellenden konservativen Volkspartei, die sich seit Jahren weigert, das heiße Eisen der passiven Sterbehilfe endlich eindeutig zu regeln. Wohl auch aus Rücksicht auf die im Land immer noch sehr einflussreiche katholische Kirche, welche dies üblicherweise als „Tötungsdelikt“ verteufelt.

Obwohl einige spanische Regionen bereits erste kleine Reformschritte unternommen haben, um die Patientenrechte zu stärken, schwebt über allem immer noch Spaniens nationales Strafrecht, das jegliche Sterbehilfe mit Gefängnis bedroht: Danach kann theoretisch jeder, der Beihilfe zum Tod eines anderen leistet, auch „auf ausdrücklichen Wunsch“ und im Falle einer lebensbedrohenden Krankheit, angeklagt werden.

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