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Zwei Männer rudern ein Boot durch das Hochwasser eines überschwemmten Gebiets.

© dpa/Uncredited

Update

Wasser steigt in russischen Flutgebieten: Einwohner von Orenburg sollen Stadt sofort verlassen

Die russischen Behörden haben eine „Massenevakuierung“ in den Überschwemmungsgebieten angeordnet. Der Wasserpegel im am Stadtrand entlangfließenden Ural erreichte neue Rekordwerte.

Wegen drohender neuer Wassermassen in den Überschwemmungensgebieten in Russland haben die Behörden in Orenburg eine „Massenevakuierung“ angeordnet. „Die Situation ist kritisch, verlieren Sie keine Zeit“, appellierte Bürgermeister Sergej Salmin am Freitag an die 500.000 Bewohner. Der Wasserpegel im am Stadtrand entlangfließenden Ural erreichte derweil ebenso wie andere Flüsse in der Region neue Rekordwerte.

„Die Sirenen heulen in der Stadt“, schrieb Salmin im Onlinedienst Telegram. „Es handelt sich nicht um einen Übungsalarm. Eine Massenevakuierung findet statt.“ Die Menschen sollten ihre Häuser sofort verlassen. Nach Angaben der Behörden stieg der Pegel des Ural in Orenburg auf 11,43 Meter, das sind mehr als zwei Meter über dem als „kritisch“ geltenden Wert.

Zehntausende Menschen haben bereits ihr Hab und Gut verloren; ihre Häuser und Gärten stehen unter Wasser. Und auch wenn die Frühjahrsflut nach der Schneeschmelze in Russland jedes Jahr wiederkehrt, wirft der Umgang mit der diesjährigen Katastrophe doch Schlaglichter auf den Zustand des größten Landes der Erde.

Flut bricht sämtliche Rekordmarken

Nach einem schneereichen Winter führt der Fluss Ural so viel Wasser wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen. Vor mehr als 80 Jahren, im Jahr 1942, gab es eine große Flut mit einem Pegelstand von 9,4 Metern, wie der Orenburger Gouverneur Denis Pasler am Donnerstag bei einer Videoschalte mit Präsident Wladimir Putin sagte.

Drohnenaufnahmen zeigen das Ausmaß der Flut.

© REUTERS/stringer

Experten erwarteten, dass der Wasserstand des Urals noch auf 11,6 Meter steigen wird. Der über 2400 Kilometer lange Fluss, den Geografen als Teil der Grenze zwischen Europa und Asien definieren, entwässert nach Süden durch Kasachstan ins Kaspische Meer. Auch in Kasachstan herrscht Flutalarm. Dort sind etwa 100.000 Menschen evakuiert worden.

„Putin, hilf!“, rief Anfang der Woche eine Menschenmenge in der Großstadt Orsk, die als erste unter der Flut des Urals zu leiden hatte. In allen Nöten in Russland richten sich die Hoffnungen zuerst auf den Herrscher im Kreml. Doch der im März mit einem angeblichen Rekordergebnis wiedergewählte Präsident hat das Flutgebiet bislang nicht besucht - so wie er sich während der Heizungsausfälle in vielen Städten im Winter nicht sehen ließ oder nach dem schweren Terroranschlag in einer Moskauer Konzerthalle mit mehr als 140 Toten.

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Putin werde auf dem Laufenden gehalten, er gebe Anweisungen, versichern sein Sprecher Dmitri Peskow und andere Regierungsvertreter seit Tagen. Am Donnerstag veröffentlichte der Kreml die Mitschrift der Videoschalte mit den Gouverneuren der betroffenen Regionen. Danach hörte sich Putin deren Berichte an, dankte kurz - und dann war Schluss.

Ärger wegen eines gebrochenen Deiches

Dabei gibt es vor Ort viele Klagen über das schleppende Krisenmanagement der Behörden. Medien spekulieren, ob der Katastrophenschutz personell ausgedünnt sei, weil Russland seit zwei Jahren Männer für den Angriffskrieg gegen die Ukraine brauche. Gouverneur Pasler machte sich unbeliebt bei einem Treffen mit Betroffenen in Orsk. Auf die Frage, welche Verantwortung er trage, fragte er angeblich zurück, ob denn nicht alle gemeinsam Verantwortung für die Flut trügen.

Ganze Wohnblöcke sind in der russischen Großstadt Orenburg überschwemmt.

© REUTERS/Maxim Shemetov

Auch der von Putin ins Hochwassergebiet entsandte Katastrophenschutzminister Alexander Kurenkow rief Empörung hervor, als er vor laufenden Kameras erklärte, die Bewohner seien von den Behörden rechtzeitig - eine Woche vor Beginn des Hochwassers - vor der Überschwemmung gewarnt und zur Evakuierung gedrängt worden. Eine ganz klare Falschaussage, denn wenige Tage vor dem Unglück hatten die örtlichen Behörden noch abgewiegelt.

Zum Symbol des Unmuts wurde ein Deich in Orsk, der an mehreren Stellen brach. Eigentlich hätte der für angeblich eine Milliarde Rubel (zehn Millionen Euro) angelegte Damm auf zehn Kilometer Länge die Stadt schützen sollen. Der Chef der Baufirma behauptete, dass wohl Nagetiere dem Deich geschadet hätten. Das nannte Bauminister Irek Faisullin aus Moskau lachhaft. Es sei eher so, dass der unbefestigte Erdwall keine Milliarde Rubel wert gewesen sei. „Wie ich es sehe, kann man das keinen Deich nennen“, sagte er. Es habe aber auch niemand eine Flut von zehn Meter Höhe vorhersehen können.

Wie viele Menschen betroffen sind, zeigt die Zahl von 200.000 Anträgen auf Soforthilfen, die bis Freitag im Gebiet Orenburg eingingen. Gezahlt werden 20.000 Rubel (etwa 200 Euro) zur Überbrückung, 50.000 Rubel bei dem Verlust von Eigentum.

Auch in den benachbarten sibirischen Gebieten Kurgan und Tjumen breiteten sich Überschwemmungen aus. Die sibirischen Flüsse entwässern nach Norden in das Eismeer. Regelmäßig gibt es Überflutungen, weil das Schmelzwasser aus dem Süden sich an den noch zugefrorenen Teilen der Flussläufe staut. Am Fluss Tobol wurde vorsorglich ein probates russisches Mittel ergriffen: Ein orthodoxer Priester mit Ikone flog im Hubschrauber den Fluss ab, um die schlimmsten Überschwemmungen abzuwenden. (AFP, dpa)

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